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Nachsuche

Nachsuche

Titel: Nachsuche
Autoren: Kuhn Kuhn
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nie, dass er verheiratet ist. Und er macht von Anfang an klar, eine Scheidung komme für ihn nicht infrage. Seine Frau sei kinderlos und daher depressiv. Sie bringe sich um, wenn er sie verließe.
    Er nimmt das Handy, das er auf den Beifahrersitz gelegt hat, und ruft zu Hause an.
    »Hallo, Schatz!«, sagt er fröhlich, sobald seine Frau sich meldet. »Bist du schon auf? Ich komme. Gibt es einen Kaffee bei dir? Es war eine furchtbare Nacht. Ich erzähle dir alles, wenn ich da bin.«
    Damit unterbricht er die Verbindung, bevor sie wie üblich wegen seiner Abwesenheit zu jammern beginnt. Er weiß, sie verdächtigt ihn der Untreue, nur beweisen kann sie ihm nichts. Dazu ist er zu geschickt. Er verwischt seine Spuren stets recht sorgfältig. Das Spiel ist riskant, aber da er bei seinen Abenteuern nie den eigenen Namen benützt und auch in den Details äußerst vorsichtig bleibt, glaubt er nicht, dass sie ihm so leicht auf die Schliche kommt.
    Bei der nächsten Gelegenheit fährt er den Wagen von der Straße, hält und holt unter seinem Sitz ein weiteres Handy hervor.
    Wieder sagt er: »Hallo Schatz, bist du schon auf? Wollte dir nur sagen, es war eine wunderbare Nacht mit dir.«
    Die Frau am anderen Ende seufzt beglückt.
    Rüdisühli lächelt fein und fährt fort: »Fast wäre es unsere letzte gewesen. Sei froh, dass es mich noch gibt. Um ein Haar hätte es mich erwischt. Mir ist ein Reh ins Auto gesprungen. Nein, nein, rege dich nicht auf, mir ist nichts passiert. Ich muss jetzt aufhören. Ich melde mich.«
    Auch hier beendet er das Gespräch, bevor die Frau zu Wort kommt. Dann verstaut er das Handy wieder sorgfältig unter dem Sitz.

    Inzwischen wartet Noldi an der Straße. Er reibt sich die Augen. Für einen Moment glaubt er zu träumen. Gleichzeitig taucht wieder die bange Frage auf, was da passiert ist und noch auf ihn zukommt. Er setzt sich schließlich in seinen Wagen, starrt wie blind durch die Windschutzscheibe. Trotz aller Befürchtungen ist er fast eingeschlafen, als die Winterthurer eintreffen.
    Zuerst Bezirksarzt und Staatsanwalt. Sie kommen in einem Wagen, wie meistens. Die beiden können es gut miteinander. Auf dem Polizeiposten in Winterthur haben sie den Spitznamen ›Die Zwillinge‹. Gleich nach ihnen hält der blaugraue Kombi mit den Kollegen der Spurensicherung.
    »Endlich«, sagt Noldi. »Der Wildhüter, der oben wartet, muss noch ein angefahrenes Reh suchen.«
    Der Bezirksarzt, mit dem Noldi schon oft gearbeitet hat, klopft ihm auf die Schulter.
    »Hallo, Noldi, was ist mit dir los? Du musst Halluzinationen haben. Wo hat man jemals so etwas gehört: Eine Leiche im Neubrunnertal. Das gibt es doch nicht.«
    Er lacht.
    Zu munter, denkt Noldi, für die Tageszeit. Aber alle auf dem Revier wissen, der Doktor macht die Arbeit gern und sehr genau. Für ihn ist es eine willkommene Abwechslung zum täglichen Einerlei in seiner Allgemeinpraxis.
    Der Staatsanwalt sagt nichts. Er überlässt das Reden für gewöhnlich dem anderen. Immerhin nickt er bekräftigend.
    »Denkt, was ihr wollt«, antwortet Noldi gutmütig, »ich führe euch jetzt hinauf.«
    Er kennt die Herablassung der Kollegen gegenüber einem vom Land. Aus dem Tösstal noch dazu. Das ist für die Winterthurer wie hinter dem Mond. Während er sie über die Wiese lotst, malt er sich mit einer gewissen Schadenfreude aus, wie sie sich gleich mit ihren Utensilien den Hang hinauf schleppen werden.
    Sie ziehen weiter über ihn her. »He, Noldi«, keuchen sie, »hättest du dir nicht einen noch blöderen Ort aussuchen können?«
    Als sie nach dem mühseligen Aufstieg endlich oben ankommen, sind sie verstummt. Sie schnaufen und schwitzen, und Bayj, der Hund, denkt, dass sie nie eine Spur aufnehmen könnten bei dem Geruch, den sie selbst verbreiten.
    »Da«, sagt Noldi und deutet, »da ist die Leiche.«
    Plötzlich fühlen sich auch die Neuankömmlinge beklommen. Sie sind nicht abgebrüht genug, Gewalt und Tod gleichgültig zu begegnen. Einer versucht noch einen unpassenden Spruch, aber keiner lacht mehr.
    Hablützel berichtet kurz, wie der Hund auf der Suche nach einem angefahrenen Reh die Leiche entdeckt hat.
    Der Bezirksarzt sagt: »Also, ich schau sie mir jetzt einmal an.«
    Er steigt in das Brombeergestrüpp, und sie hören ihn sagen: »Tot, und zwar nicht erst seit heute.«
    Bevor er die Leiche bewegt, meldet sich der Fotograf, der seine Aufnahmen machen will.
    Hablützel steht auf.
    »Mich braucht ihr jetzt nicht mehr.«
    Er bindet den Hund
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