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Nachsuche

Nachsuche

Titel: Nachsuche
Autoren: Kuhn Kuhn
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ihn langweilt.
    Meret hat schon wiederholt mit ihrem Mann darüber gesprochen, und sie haben vereinbart, dass er sich mehr Zeit für den Jungen nimmt. Doch wie es aussieht, würde er in den nächsten Tagen, vielleicht Wochen, wieder nicht dazu kommen.

    Noldi und Meret sind seit fünfundzwanzig Jahren verheiratet. Es kam in dieser Zeit nicht allzu häufig vor, dass Noldi wegen eines Todesfalls gerufen wurde. Aber Meret erinnert sich lebhaft, wie ihr Mann sie bei ihrer ersten Verabredung sitzen ließ, weil sich einer im Dorf aufgehängt hatte. Sie sind trotzdem ein glückliches Paar geworden, und Meret hat nie bereut, einen Polizisten geheiratet zu haben.

    Wie Meret vermutet, durchschaut Betti ihre Schwester. Sie versteht sie sogar, weiß selbst, dass sie zu viel jammert. Sie weiß natürlich auch, worüber sich Meret Sorgen macht. Sie kennt ihren Neffen Paul recht gut, hat ihn oft genug im Haus, denn Bayj, der Hund, ist sein bester Freund.
    Betti ist keine Dumme, wenn sie ihr Licht auch meist unter den Scheffel stellt. Hans Hablützel erträgt die geistige Überlegenheit seiner Frau nur schlecht. Das ist einer der Gründe für seine Grobheit ihr gegenüber. Aber Betti liebt diesen Mann so, wie er ist, hat ihn von allem Anfang an geliebt.
    Ein Motorengeräusch holt sie aus ihren Gedanken. Das ist Hans, denkt sie, stürzt zur Türe. Zuerst springt der Hund mit einem Satz aus dem Auto, dann folgt langsamer Hablützel. Er wirkt bedrückt.
    »Erzähl«, fordert Betti, bevor er noch das Haus betreten kann, »was ist mit der Leiche? Ist das ein Witz?«
    »Nein«, sagt Hans, überraschend sanft, »ob du es glaubst oder nicht. Es ist so, ich erzähle es dir, aber zuerst brauche ich einen Kaffee.«
    Betti wird es warm ums Herz. Gleichzeitig denkt sie, dort im Wald muss es schlimm gewesen sein, wenn er plötzlich so milde gestimmt ist.
    Sie hat in der Küche den Tisch schon gedeckt, der Kaffee steht bereit. Hans muss nur vorher noch ans Telefon. Er ruft den Obmann seines Jagdreviers an.
    »Du«, sagt er, »wir haben einen weiteren Verkehrsunfall. Es hat schon wieder ein Reh erwischt. Hättest du Interesse an Leber und Herz?«
    Der andere antwortet: »Nein, behalt sie. Du hast den Ärger gehabt.«
    »Was heißt da Ärger?«, erwidert Hablützel. »So etwas ist noch nie passiert. Nachsuche nach einem Reh, und weißt du, was wir finden, der Bayj und ich? Halte dich fest. Eine Frauenleiche, halbnackt.«
    Der andere ist platt.
    »He, das musst du mir genau erzählen. Treffen wir uns am Abend? Wie immer um sieben, oben in der Jagdhütte. Abgemacht?«
    »Abgemacht«, sagt Hans und legt auf.
    Betti ist enttäuscht. Das heißt, er wird am Abend wieder nicht zu Hause bleiben. Und wenn er sich mit dem trifft, dauert es meist Stunden, bis er zurückkommt.
    Trotzdem lässt sie sich nichts anmerken. Sie schenkt Kaffee ein, gibt zwei Löffel Zucker und Milch dazu. Rührt um und stellt ihm die Tasse hin.
    Sie streicht ihm über den Arm.
    »Da ist dein Kaffee. Und jetzt erzähl.«
    Aber noch bevor ihr Mann mit dem Frühstück fertig ist, muss Betti los. Sie küsst Hans und ist gerührt, dass er sie nicht wie sonst ungeduldig wegschiebt. Sie hat einen frühen Termin für ihre Massage.
    Jede Woche lässt sie sich in dem neuen Fitnesscenter massieren, das eine ihrer Bekannten betreibt. Sie legt großen Wert auf Körperpflege und tut alles, um für ihren Mann attraktiv zu bleiben. Außerdem trifft sie dort andere Frauen und kann über ihre Ehe reden. Sie haben alle ihre Probleme mit den Ehemännern oder Freunden. Entweder sie gehen fremd, trinken zu viel oder geben das ganze Geld für teure Autos aus. Das Thema ist unerschöpflich und mindestens so wichtig für das Wohlbefinden der Frauen wie die Massage, das Krafttraining und der gesunde Vitamin-Mix, den sie nachher an der Bar durch einen Trinkhalm schlürfen.
    Kaum kommt Betti bei der Tür herein, ruft sie schon: »Stellt euch vor, mein Mann, der Hans, hat im Wald eine Leiche gefunden!«
    Sofort wird sie zum absoluten Mittelpunkt. Die Frauen verlassen ihre Trainingsgeräte und scharen sich schwitzend um sie.
    »Eigentlich«, berichtet Betti, »sollte er ein angefahrenes Reh suchen. Da liegt eine im Wald. Tot. Noch dazu halbnackt. Es war dunkel, er ist fast über sie gestolpert.«
    »Weiß man, wer sie ist?«, fragt aufgeregt Martha, die Besitzerin des Fitnesscenters.
    »Nein«, erwidert Betti, »noch nicht.«
    Schon geht ein wildes Rätselraten los, wer das sein könnte. Jede überlegt, wen sie
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