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Nachspielzeit: Eine unvollendete Fußballkarriere (German Edition)

Nachspielzeit: Eine unvollendete Fußballkarriere (German Edition)

Titel: Nachspielzeit: Eine unvollendete Fußballkarriere (German Edition)
Autoren: Timo Heinze
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üblichen Kaufpreises angeboten wurden. Wohlgemerkt, die Mannschaften setzten sich nicht aus gestandenen Bundesligaspielern zusammen, sondern bestanden aus zwölfjährigen Knirpsen, die in der Schule größtenteils die siebte Klasse besuchten.
    Doch das schien die Leute nicht zu stören. Es herrschte ein Lärmpegel während der Spiele, wie ich es im Jugendbereich nie wieder erlebte. Es war nahezu unmöglich, sich auf dem Feld zu verständigen, wenn der Mitspieler nicht gerade direkt neben einem stand. Die Zuschauer waren völlig aus dem Häuschen, besonders wenn Hansa Rostock, so etwas wie der Lokalmatador, im Ballbesitz war. Wir dagegen wurden vom Großteil gnadenlos ausgepfiffen und teilweise massiv beschimpft. Ganz im Gegensatz dazu waren bei vielen anderen Fans unsere Autogramme am beliebtesten, und bei keiner anderen Mannschaft versuchten die Zuschauer nach Abpfiff derartig händeringend, an ein Trikot eines Spielers zu kommen. So ist das als Bayernspieler: Entweder du wirst geliebt oder gehasst, dazwischen gibt es nichts. Diese Erfahrung machte ich damals schon als Dreikäsehoch.
    Eben doch ziemlich beeindruckt von der Atmosphäre, starteten wir schlecht in das Turnier, steigerten uns aber von Spiel zu Spiel. Das Halbfinale gewannen wir im Neunmeterschießen gegen Rostock, die Halle tobte. Selbst ein Bierzelt samstags auf der Münchner Wies’n ist nichts im Vergleich zu dem, was dort los war.
    Das große Finale gegen Bayer Leverkusen konnten wir mit eins zu null für uns entscheiden. Ich erzielte den siegbringenden Treffer. Halb im Rutschen und mit dem allerletzten Schritt eines Sprints beförderte ich das Leder am Torwart vorbei. Das Gefühl, nachdem der Ball im Netz einschlug, haute mich fast aus den Schuhen und verpasste mir einen wahnsinnigen Adrenalinkick. Nicht wirklich vergleichbar mit einem, den man beim Karussellfahren erlebt, sondern irgendwie anders. Natürlich magenschonender. Aber auch irgendwie viel erfüllender, wärmer und mehr von innen heraus. Ich bin noch heute davon überzeugt, dass ich in dieser Sekunde der glücklichste Mensch weit und breit war. Beim Jubeln wusste ich gar nicht mehr, wohin mit meiner Energie, und düste unkontrolliert wie ein aufgezogenes Spielzeugauto in die Arme meiner Mannschaftskameraden.
    Später entwickelte ich mich zu alles anderem als einem Torjäger. Doch seit diesem Moment weiß ich, was all die Starstürmer meinen, wenn sie in Interviews von dem unbeschreiblichen Gefühl nach einem Torerfolg sprechen, nach dem sie alle so süchtig sind. Auch ich gab an diesem Tag mein erstes Interview. Als Matchwinner und gleichzeitiger Sieger bei der Wahl zum besten Angriffsspieler lauerte mir der regionale Fernsehsender nach der Siegerehrung auf und stellte mir ein paar Fragen.
    Am Abend lief das Interview im Fernsehen, und wir sahen es auf einer Leinwand übertragen, während einige Teams mit uns gemeinsam zum Abschluss im Hotel aßen. Da stand ich also mit meinen zwölf Jahren vor dem Mikrophon und gab, doch erstaunlich abgeklärt, aber auch ganz schön besserwisserisch, meinen Senf zum Besten. Dieser Auftritt bedeutete damals die Welt für mich, heute entlockt mir das Ganze ein Lachen. An das gesamte Turnier denke ich weiterhin unheimlich gerne zurück, das kleine Plastikmaskottchen der Veranstaltung steht noch immer in meinem Regal und fungierte schon häufig als mein persönlicher Glücksbringer.
    Doch auch international erlebte ich früh einige Highlights. Bei einem Turnier in Marbella, ebenfalls in meiner ersten Saison für den FC Bayern, traten wir gegen die Crème de la Crème des europäischen Clubfußballes an. FC Barcelona, Inter Mailand, Manchester United, Olympique Marseille und Real Madrid waren unter anderem am Start. Die Spiele wurden live im Fernsehen übertragen. Auch die «AS», eine der bekanntesten Sportzeitungen Spaniens, brachte Berichte über das Turnier. Wie es der Zufall so wollte, fand ich mich sogar auf einem Foto der Titelseite wieder, das während des Spiels gegen Real Madrid geschossen wurde. Das war allerdings pures Glück, denn wir waren nicht wirklich die Hauptprotagonisten des Turniers. Besser gesagt, wir hatten nicht den Hauch einer Chance und mussten nach der Vorrunde die Koffer packen.
    Die Jungs der südländischen Teams waren allesamt deutlich größer und körperlich weiter als wir. Das sah manchmal aus, als spielten kleine Kinder gegen frühreife Teenager. Erst im Laufe der Jahre glich sich das körperliche Niveau immer mehr an,
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