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Nachrichten aus einem unbekannten Universum

Nachrichten aus einem unbekannten Universum

Titel: Nachrichten aus einem unbekannten Universum
Autoren: Frank Schätzing
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Zahnwale und Delphine beispielsweise leiden Hunger. Nahrungsketten zerreißen, komplexe Gemeinschaften brechen zusammen. Ein deutscher Vorstoß beim Rat der Europäischen Union für Fischerei und Landwirtschaft wurde im Dezember 2004 mit dem niederschmetternden Bescheid gestoppt, dass keine Schutzzonen für den Kabeljau eingerichtet würden. Man könne den Fischern schließlich nicht die Existenzgrundlage entziehen.
    Das Fazit solcher Rücksichtnahme: Immer mehr Schiffe fahren hinaus, um immer weniger Fisch zu fangen. Also bedient man sich bei den Jungtieren. Bloß, eine Spezies, die ihre Kinder verliert, ist auf dem besten Wege ins Museum. Dummerweise hat die EU die viel beschworene Existenzgrundlage der Fischer selbst leckgeschlagen, indem sie ihre Fischereiflotten subventionierte und ausbaute, was das Zeug hielt. Sinnvoller wäre es gewesen, Sozialprogramme zu fördern, mit denen man arbeitslose Fischer vor dem Sturz ins Nichts bewahrt. Entsprechende Vorschläge wurden damit abgeschmettert, es sei noch jede Menge Fisch da, schließlich hätte bis heute keiner nachgezählt. Alles nur Panikmache, grünes Geschwätz. Und die Befürworter des Raubbaus haben nicht mal Unrecht: Man weiß tatsächlich nicht, wie viele Kabeljaus, Lachse, Thunfische, Störe und Shrimps es noch gibt. Das Problem ist: Wenn man es nicht weiß, kann man genau genommen auch keine Fangquote festlegen. Ohne Quote geht es aber nicht. Also sollte man erwarten, dass die Schätzungen möglichst niedrig ausfallen. Doch was im Fischereiwesen nach am wenigsten geschätzt wird, sind niedrige Schätzungen.
    Den Fischern ist so oder so nicht geholfen. Sie werden ihre Jobs verlieren! Heute, morgen oder übermorgen. Man hat sie ermutigt, aufzurüsten, nun lässt man sie im Stich. Auch sie, das dürfen wir nicht vergessen, sind Opfer der Überfischung. Eine Spezies, die sich selbst dezimiert.
    Neuerdings will die Europäische Union ihre Flotten den verbliebenen Beständen anpassen. Im Klartext heißt das: verschrotten. Vor allem die spanische Armada, Europas größte Fischfangflotte, dürfte an der Demontage schwer zu schlucken haben. Schon jetzt ist das einzige Netz, auf das viele spanische Fischer noch hoffen können, das Sozialnetz. Vorsorglich schippert man gen Afrika, schließt Verträge mit dem Senegal oder Marokko und plündert deren Gewässer, womit man die senegalesischen und marokkanischen Fischer ins Elend stürzt, zu deren Absicherung der Staat die eingenommenen Gelder eher weniger verwendet. Der Niedergang der Fischerei ist ein Sterben auf Raten. Man kann die Agonie natürlich hinauszögern. Irgendwo findet sich immer noch ein Eckchen oder eine Spezies, auf die sich alles stürzt. Tatsächlich steht zu bezweifeln, dass Menschen jemals eine Fischart vollständig ausrotten werden, schlicht und einfach, weil sich die Flotten auf andere Arten konzentrieren, sobald die gefährdete Art ein Auslaufen nicht mehr rechtfertigt. Doch die Regeneration erfolgt in etlichen Zyklen, keinesfalls von heute auf morgen. Und es ist längst nicht gesagt, dass alle Arten zu alter Stärke zurückfinden werden. Am vorläufigen Ende steht vielleicht eine im Grunde erfreulich intakte Artenvielfalt, jedoch unterhalb der Verwertungsgrenze. Alle sind noch da, aber keine lohnt die Mühe, den Außenborder anzuwerfen.
    Vielerorts ist man sich des Irrsinns übrigens bewusst. Dennoch lautet die Devise: Holen wir ihn raus, den Kabeljau. Bis morgen wird er schon reichen, und übermorgen sehen wir dann weiter.
    Was aber, wenn es übermorgen nichts mehr zu sehen gibt?
    Ich hatte dieses letzte Kapitel eigentlich der weit entfernten Zukunft widmen wollen, den Lebensformen in hundert Millionen Jahren, wenn es kein Mittelmeer mehr gibt, nachdem Afrika schließlich gegen Europa gescheppert ist, während über tropischen Gewässern Schwärme von »Flischen« Insekten jagen, Kreuzungen aus Fischen und Vögeln, wie sie in der ZDF-Dokumentation Die Zukunft ist wild zu sehen sind. Spannend auch, den Landgang des Riesenkalmars zu erleben und die Entwicklung kleinerer Kalmare zu intelligenten Wesen. Nachdem wir im Teil MORGEN Städte auf dem Meer und die Ozeane anderer Planeten bereist haben, sollte im Teil ÜBERMORGEN doch wohl mehr zu erwarten sein als Betrachtungen über den Kabeljau.
    Doch Übermorgen ist ein relativer Begriff. In persönlichen Belangen hat es unbedingte Priorität. Da drängelt es sich in unsere Gedanken, entfaltet sich als Szenario in bunten Bildern und mahnt uns, Vorsorge
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