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Nachrichten aus einem unbekannten Universum

Nachrichten aus einem unbekannten Universum

Titel: Nachrichten aus einem unbekannten Universum
Autoren: Frank Schätzing
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Menschen. Wenn die schwimmende Stadt, die wir morgen bauen, übermorgen über einer Wüste treibt, wird die Sicherung der Existenzgrundlage mit schuld sein. Zwischenfazit der kanadischen Dalhousie University: Ein halbes Jahrhundert hat ausgereicht, um beinahe alle Großfische um 90 Prozent zu dezimieren. Dazu gehören unter anderem Kabeljau, Heilbutt, Hai, Thunfisch und Schwertfisch. Die Artenvielfalt ist weltweit um die Hälfte zurückgegangen. Da große Fische fast sämtlich Räuber sind, bringt ihr Verschwinden das gesamte Ökosystem in Schieflage. Derzeit werden annähernd 100 Prozent der Weltmeere überfischt, verschmutzt und auf andere Weise geschädigt — nur 0,5 Prozent unterliegen hingegen halbwegs strengen Schutzvorschriften.
    Übermorgen ...
    Nicht nur in Fischereikreisen ein Unwort. In den Meeren trifft man Ölkonzerne auf der Suche nach gut gefüllten Reservoirs in einigen Kilometern Tiefe, Energieunternehmen, die es auf Methanhydrat abgesehen haben, jene eisartige Verbindung aus Wasser und komprimiertem Methangas, welche unsere Kontinentalabhänge zementiert und nach Ansicht von Experten all unsere Energieprobleme lösen könnte. Manganknollen und Edelmetalle ziehen das Interesse der Bergbauunternehmen auf sich. Auch Diamanten gibt es in der Tiefsee, mehr, als die Hälse aller Schönen und Reichen dieser Welt schmücken könnten. Die angepeilten Fördergebiete liegen keineswegs nur in Küstennähe, sondern teils mitten im Atlantik. Die zunehmende Einleitung von Chemikalien in Küstengewässer, die Vergiftung der Ozeane durch die Industrialisierung der Hochsee, die Zerstörung von Lebensgemeinschaften, all dies könnte auch dazu beitragen, unsere Atmosphäre nachhaltig zu verändern und damit unser Klima. Umgekehrt führt die Klimaerwärmung zu einem Anstieg der Meerestemperaturen, sodass vielen Fischen jede Lust am Sex vergeht: »Schatz, mir ist zu warm«, sagt Frau Kabeljau zu Herrn Kabeljau, und der kontert: »Macht nichts, Liebling. Habe eben im Chemikaliencocktail ganz unerwartet mein Geschlecht gewechselt.« Im Ernst, auch das geschieht.
    Dennoch fühlt sich offenbar jeder, der im Dunkeln tappt, bemüßigt, auch im Tiefen zu stochern. Können Sie sich eine Operation am offenen Herzen in einem stockfinsteren Raum vorstellen? Nun, gerade wird wieder fleißig operiert.
    Moralinsauer, dieser Schluss?
    Keineswegs. Es geht ja nicht darum, der Industrialisierung, der Erschließung von Bodenschätzen, der Fischerei oder dem Walfang für alle Zeiten den Riegel vorzuschieben. Sondern im Rahmen des Verträglichen zu agieren. Dafür aber müssen wir mehr in Erfahrung bringen über das unbekannte Universum, uns um Verständnis der größeren Zusammenhänge bemühen. Schauen, begreifen, handeln, so wie es die CoML-Forscher (»Census of Marine Life«) fordern. Ihr Vorschlag lautet, Serengetis in den Meeren zu schaffen.
    Dort könne man dann die wilden Tiere beobachten, sich an ihnen erfreuen, ihre Lebensweise erforschen, während Speisefische in speziell dafür vorgesehenen, umzäunten Gebieten gefangen würden. Auch die Öl-, Gas- und Chemiekonzerne dürften nur in bestimmten Gebieten bohren, fördern und pumpen, in den Serengetis hätten sie nichts verloren. Der Vorschlag gehört zum Besten, was man einander über die grünen Tische reicht, dennoch bleibt ein Problem bestehen: Meerwasser fließt. Was also immer aus den belasteten Gebieten in die Strömung gelangt, wird irgendwann auch die Nationalparks erreichen. Quecksilber ahoi!
    Stimmt, klingt irgendwie deprimierend. Andererseits .
    Erinnern Sie sich an das Kupfersulfatbläschen? An die fidelen Makromoleküle, die es allenthalben ins Nichts riss, wenn die Erde bebte und ihr hydrothermaler Kamin einstürzte?
    Sollen wir aufgeben? fragten die Moleküle.
    Und später dann, als dieses fürchterliche Gift in die Atmosphäre gelangte, dieser ganz und gar entsetzliche Sauerstoff.
    Sollen wir aufgeben?, fragten Milliarden und Abermilliarden Einzeller.
    Und dann die globale Vereisung. Wissen Sie noch? Wie ein Schneeball hing die Erde da, der lebensfeindlichste Ort, den man sich nur vorstellen kann.
    Sollen wir aufgeben?, fragten die ersten Mehrzeller.
    Und dann erst all die schrecklichen Meteoriten!
    Sollen wir aufgeben?, fragten die Geschöpfe des Kambrium, die Panzerfische, die Seeskorpione, die Ammoniten, die Meeressaurier, fragte der Megalodon.
    Jedes Mal hat Miss Evolution lange nachgedacht.
    Nein, sagte sie schließlich, ihr müsst nicht aufgeben. Ihr müsst
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