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Nachrichten aus einem unbekannten Universum

Nachrichten aus einem unbekannten Universum

Titel: Nachrichten aus einem unbekannten Universum
Autoren: Frank Schätzing
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Hölle. An der Oberfläche dieser Hölle leben wir — und existieren einzig, weil die dünne Kruste nicht komplett geschlossen, sondern in Fragmente unterteilt ist, die auf dem zähen Ozean der Asthenosphäre treiben.
    Was würde geschehen, wäre die Erde nicht so rissig? Nun, stellen Sie sich ein Ei im Kochtopf vor. Ein Kräftezerren setzt ein, Gase wollen entweichen, Materie stockt, vertikale und horizontale Effekte setzen der Schale zu. Halt ein ganz normales Frühstücksei.
    Würden Sie es nicht anstechen, bevor Sie es ins brodelnde Wasser gleiten lassen, es würde platzen. So aber kann es Dampf ablassen und ist nach wenigen Minuten fest geworden, hat also einen Zustand neuer Stabilität erreicht. Mit der Erde verhält es sich ähnlich, nur dass man sie nicht pellen und aufs Brötchen schneiden kann, weil sich unter der Schale immer noch dynamische Prozesse vollziehen, ein permanenter Kampf des Inneren gegen das Äußere. Eine in sich geschlossene Kruste müsste flexibel wie Gummi sein, um derartigen Bedingungen standzuhalten. Doch die Lithosphäre ist starr, also tat die Natur gut daran, sie in Schollen zu unterteilen, die mal auseinander driften, mal zusammenstoßen, sich über- und untereinander schieben, sich heben und senken und den Druck aus dem Inneren ausgleichen.
    Heute ist die Plattentektonik allgemein akzeptiert, sieht man von Gegenden im amerikanischen Mittelwesten ab, wo man schon für die Verkündung des Darwinismus auf dem Scheiterhaufen landet. Noch in den Sechzigern war längst nicht jeder Geologe von der Beweglichkeit der Platten überzeugt. Dabei hatte ein deutscher Polarforscher bereits Anfang des 20. Jahrhunderts den Beweis erbracht, dass die Natur Erfinderin des Puzzles ist. 1910 betrachtete Alfred Wegener stirnrunzelnd eine Weltkarte. Ihm schien, dass Südamerika und Afrika irgendwie ineinander passten. Im Folgenden unterzog er sämtliche Inseln und Kontinente einer genaueren Untersuchung und gelangte zu der Überzeugung, Teile eines einzigen gewaltigen Kontinents vor sich zu haben, der in ferner Vergangenheit auseinander gebrochen sein musste. Etwa zeitgleich machten Paläontologen die bemerkenswerte Entdeckung, dass Fossilien uralter Lebensformen diesseits und jenseits der Ozeane identische Züge aufwiesen. Wie konnte ein Tier aus Afrika zugleich in Südamerika gelebt haben? Wie war es dorthin gelangt? Sporen von Pflanzen, gut, die hatte der Wind übers Meer geweht, von Krokodilen und Skorpionen stand das weniger zu erwarten. Für Wegener der fundamentale Beweis, dass einst ein Riesenkontinent existiert haben musste, eine einzige zusammenhängende Landmasse, auf der sich das Leben frei in alle Himmelsrichtungen hatte verteilen können. »Ganze Erde« nannte Wegener seinen Kontinent, und weil Wissenschaftler einem kryptischen Zwang unterworfen sind, alles auf Griechisch oder Lateinisch auszudrücken, wurde daraus Pangaea — Gaea für Erde, Pan für Ganz.
    Zum Leben des Visionärs gehört, ausgelacht zu werden. Wegener konnte das ertragen, obwohl er nur Hohn für seine These erntete. Zwecklos, die Fachwelt darauf hinzuweisen, schon zu Zeiten der Renaissance hätten scharfäugige Kartenleser Ähnliches herausgefunden. Allgemein hing man der Auffassung des österreichischen Geologen Eduard Suess an, dessen Schrumpfungstheorie sich damals großer Popularität erfreute. Demnach war die Erde einst heißer und damit voluminöser gewesen. Im Laufe der Jahrmilliarden hatte sie einen Teil ihrer Wärme abgestrahlt, wodurch sie kälter wurde und gemäß der Kontraktion in sich zusammenschnurrte wie ein schrumpeliges Äpfelchen. Gebirge seien auf diese Weise entstanden, erklärte Suess, ganze Landstriche hätten sich nach innen gefaltet, sodass Wasser in die entstandenen Becken floss und Ozeane bildete. Wegener hielt dagegen, verschrumpelte Äpfel wiesen keine kontinentalen Strukturen auf. Ein Planet, der gleichmäßig Hitze abgäbe, müsse auch gleichmäßig schrumpfen und würde zwar faltig, aber nicht schartig und buckelig. Außerdem sei Granit erwiesenermaßen leichter als Meeresgestein, woraus folge, dass Kontinente nicht versinken könnten, wie es die Schrumpfungstheorie forderte. Sie schwämmen obenauf und seien unzerstörbar und unsinkbar.
    1915 war Wegener so weit, seine Theorie der Kontinentalverschiebung zu veröffentlichen. Wie zu erwarten, löste sein Buch Die Entstehung der Kontinente und Ozeane heftige Diskussionen aus. Suess führte erbittert Krieg gegen den Mann, den ehrbare Geologen
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