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Nach Norden, Strolch

Nach Norden, Strolch

Titel: Nach Norden, Strolch
Autoren: Edgar Wallace
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Pflicht zu erfüllen.«
    »Wetten, es war eine unangenehme Pflicht. Du siehst so befriedigt darüber aus«, bemerkte Robin.
    »Alle Pflichten sind unangenehm. Was mich zu dir führt, ist vor allem eine Pflicht gegen Alan und gegen mich selbst.«
    Er fragte nicht weiter, da er ahnte, was kommen sollte.
    »Ganz kurz gesagt, ist die Situation folgende: Robin, du bist immens reich, und wir sind immens arm. Alan ist dein Vetter, Erbe deines Titels und deines Vermögens, soweit es mit dem Titel zusammenhängt. Findest du es nicht unter diesen Umständen ungerecht, daß du zusiehst, wie wir uns abrackern, während du mit ein paar Federstrichen uns soviel Sorgen und Kummer abnehmen könntest?«
    »Mit anderen Worten«, entgegnete Robin gutmütig, »bei soviel Geld, das in der Familie lose umherliegt, bist du der Meinung, daß du Anrecht auf eine Rente hast?«
    »Du kannst es so unangenehm formulieren, wenn du Lust hast«, gab sie zurück, »aber was du auch sagen magst, es enthebt dich nicht deiner Pflicht der Familie gegenüber.«
    Alan Loamer beobachtete die beiden. Die Augen der beiden Männer begegneten sich.
    »Was hast du zu diesem liebenswürdigen Vorschlag zu sagen?« Alan zuckte die Schultern, faltete seine Zeitung und legte sie pedantisch genau auf den Tisch.
    »Es ist ganz und gar Mutters Idee«, wehrte er ab. »Natürlich hab’ ich durchaus nicht den Wunsch, von Wohltätigkeit zu leben, aber ich bin doch auch der Meinung, daß du uns ein wenig helfen könntest, Robin.«
    »Tu’ ich das nicht sowieso?« fragte Lord Rochford ruhig. »Ich bin der Meinung, daß zwölfhundert gute Pfund Sterling jeden ersten Januar aus meiner Bank zu der deiner Mutter hinüberwandern.«
    Lady Georgina lachte. »Wie lächerlich - zwölfhundert Pfund! Gewiß, das ist schon etwas, aber bedenke doch, daß Alan dein mutmaßlicher Erbe ist -«
    »Vielleicht heirate ich bald - warum denn nicht?«
    Er wunderte sich darüber, daß sie ihre Reise unterbrochen hatte, nur um all die alten Argumente zu wiederholen, die er schon auswendig wußte. Diese Unterredung war fast wörtlich die gleiche, wie eine, die er mit ihr in London gehabt hatte, bevor er abgereist war, um seinen Dienst in Kanada anzutreten. Und ebenso hätten sich ihre Worte - niedergeschrieben - wie der Durchschlag einer Unterredung gelesen, die er mit Lady Georgina in Paris vor drei Jahren geführt hatte. Bevor er sprechen konnte, hörte er auf der Straße Lärm, ging zum Fenster und blickte hinaus.
    »Armer Teufel!« sagte er, Lady Georgina und seinen mürrischen voraussichtlichen Erben vergessend.
    Sein Freund, der Strolch, befand sich in den Händen des Gesetzes und schien durchaus abgeneigt, die Gastfreundschaft anzunehmen, die ihm die Häscher im Begriff waren anzubieten, denn er wehrte sich und versuchte, sich frei zu machen.
    »Was ist denn los?« Lady Georgina stand hinter ihm.
    »Nur ein alter Strolch - armer Kerl! Er hatte sich so eine fabelhafte Wanderung ausgedacht! Er wollte heute nacht über den Fluß, um einen Expreßzug nach Albany zu besteigen.« Er wandte sich vom Fenster weg. »Und jetzt muß er ins Kittchen!«
    »Das Gefängnis ist besser«, sagte sie und nahm sich eine Zigarette.
    »Weshalb denn?« fragte er erstaunt. »Das sind doch brave Kerls. Ich habe sie kennengelernt… bin mit ihnen gewandert. Ein amüsantes, romantisches Pack!«
    »Ich finde, daß du dich sehr amerikanisierst«, sagte sie. »Diese Sympathie für Strolche!«
    »Bin doch selbst ein Strolch«, entgegnete er, als er ihrem Beispiel folgte und sich eine Zigarette anzündete.
    Sie zog ihre Lippen nachdenklich zusammen.
    »Du glaubst, er wäre über den Strom gekommen und nach Kanada herein - ohne Paß?«
    Der Gedanke an einen Strolch mit einem Paß amüsierte ihn.
    »Das kann doch jeder«, sagte er. »Wenn ich Lust hätte, meine Ferien so zu verbringen, so würde ich von hier nach New York spazieren und zurück. Ich kenne einen irischen Gauner, der mit Schnaps handelt, der würde mich über den Strom bringen und wieder zurück, ohne daß es mich einen Cent kostete.«
    Sie betrachtete die Asche ihrer Zigarette mit einem nachdenklichen Stirnrunzeln.
    »Das glaube ich nicht«, sagte sie.
    »Du bist sehr unhöflich.« Er war belustigt. »Du bist immer unhöflich gewesen, Georgina.«
    »Du willst von hier nach New York und zurück spazieren … Wieviel Geld würdest du dazu brauchen?«
    »Fünfzig Cent«, antwortete er prompt. »Und ich will mit der gleichen Summe wieder
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