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Nach Norden, Strolch

Nach Norden, Strolch

Titel: Nach Norden, Strolch
Autoren: Edgar Wallace
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Zeitschrift entsprungen sein können.
    Der ziemlich große Mund verzog sich beim Anblick der zerlumpten Gestalt am Wegrand zu einem Grinsen.
    »Hallo, ›Penner‹!«
    »Hallo«, sagte Robin.
    »Führt der Weg noch weit?«
    »Nicht weit - Richtung Kanada. Ich fahre von Ogdensburg aus mit der Fähre.«
    »Fein, Paß und so weiter in Ordnung?«
    Aber Ironie war bei Robin verschwendet.
    »Mein Gesicht wird schon genügen«, sagte er.
    Der junge Mann kicherte und hielt ihm ein glänzendes silbernes Etui hin … Überlegte es sich anders, nahm selbst eine Zigarette heraus und reichte sie seinem Gegenüber. Robin fand diese Vorsichtsmaßregeln durchaus in der Ordnung; seine Hände waren wirklich nicht sauber.
    Er entzündete die Zigarette mit einem Streichholz, das er aus dem Futter seines Hutes holte, und rauchte mit Behagen.
    »Sie werden es nicht leicht haben. Die kanadische Polizei ist eklig scharf. Ein Kerl, den ich kannte, hat früher Schnaps hinübergeschmuggelt, aber das schafft man heute nicht mehr - alles viel zu scharf.«
    Dem Jüngling machte seine eigene Herablassung, seine kameradschaftliche Art, sich mit diesem gewöhnlichen, vielleicht verbrecherischen Individuum abzugeben, unverkennbar Spaß. Er hatte keine Vorurteile - so sagte er wenigstens jetzt dem Strolch, oft habe er sich schon mit solchen Kunden unterhalten und eine Menge dabei gelernt; allerdings könne sich nur ein Mann von Welt ohne Beeinträchtigung seiner Selbstachtung mit einem ›Penner‹ abgeben. Man brauche deswegen selbst noch lange nicht gewöhnlich zu sein, wenn man sich mal mit gewöhnlichen Menschen befasse.
    »Das ist es gerade, wovon ich die Leute hier nicht überzeugen kann«, klagte er. »Alte Leute sind beschränkt - junge Mädchen auch. Das Studieren verdirbt junge Mädchen ganz und gar. Sie werden hochnäsig, und kein Mensch ist ihnen mehr gut genug; auch das Reisen nach Europa, wo sie Adlige, Grafen und so weiter kennenlernen, die ja doch nur auf ihr Geld aus sind, ist daran schuld. Ich sage immer, man soll sich erst Amerika ansehen.«
    Robin, der Strolch, blies eine Wolke grauen Rauches zu den Baumwipfeln hinauf.
    »Das habe ich schon mal gehört. Kommt mir so bekannt vor.«
    Der Jüngling hieß Samuel Water. Sein Vater besaß Littlebergs größtes Warenhaus. Samuel war der Meinung, jedermann habe das Recht, ein Leben nach seinem eigenen Geschmack zu führen, und bemühte sich, zu zeigen, daß das Leben eines jungen Mannes etwas ganz anderes sei als das, was ältere Leute, die nichts mehr von der heutigen Welt verstanden, für ihn geplant hatten.
    »Im letzten Jahr habe ich siebentausend Dollar gemacht«, sagte er. »Habe mit feinen Jungens zusammengearbeitet, aber die kanadische Polizei ist scharf, und die amerikanischen Offiziere sind noch schärfer … Immerhin - siebentausend.«
    Er war sehr jung und hatte noch eine jugendliche Freude daran, seine eigenen Tugenden zur Schau zu tragen. Er klapperte mit seinen Schlüsseln in der Tasche, rückte seine auffallende Krawatte zurecht, blickte verächtlich auf die Hauptstraße Littlebergs und fragte: »Haben Sie eine junge Dame Vorbeigehen sehen? In einem gestreiften Kleid?«
    Robin nickte. »Ich werde heute abend getraut«, sagte Sam düster. »Werde dazu gezwungen! Es ist ein Fehler, aber alle sind sie dafür, vor allem mein alter Herr und ihr Onkel. Es ist schwierig für mich. Man müßte etwas vom Leben sehen. Ich bin ja keiner von diesen Bauernjungen, die hinter jedem Rock her sind. Ich habe studiert und weiß, daß es etwas anderes gibt … Eine weite Welt« - er beschrieb mit den Händen Kreise in der Luft -, »na, sozusagen … Na, Sie wissen schon, was ich sagen will, ›Penner‹.« Robin wußte, was er sagen wollte.
    Komisch, daß ich Ihnen das alles erzähle - aber Sie sind ein Mann von Welt. Man sieht euch Kerls meistens mit Verachtung an, aber ihr seht doch, was sich tut - in der großen, weiten Welt.«
    »’türlich«, sagte Robin.
    »Nehmen Sie noch ’ne Zigarette … Hier - nehmen Sie zwei. Ich muß jetzt weiter.«
    Robin blickte der schmucken Gestalt des Bräutigams nach, bis sie außer Sicht war. Es tat ihm leid, daß er ihn nicht um einen Dollar gebeten hatte.
    Als er hinauf in den westlichen Himmel blickte, sah er, wie sich im matten Dunst ein Unwetter zusammenzog.
    »Vielleicht geht’s bald los«, brummte er hoffnungsvoll.
    ›Rotbart‹ liebte den Regen nicht, und der kleine, dicke Mann, der Messer warf, konnte ihn einfach nicht ausstehen.

2
    Mr.
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