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Nach dem Sturm: Roman (German Edition)

Nach dem Sturm: Roman (German Edition)

Titel: Nach dem Sturm: Roman (German Edition)
Autoren: Michael Farris Smith
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den Kopf gezogen, die anderen ignorierten den Regen.
    Cohen fuhr auf den Parkplatz und hielt an. Die Hecktür des Trucks ging auf, und Charlie baute sich darin auf. Er hielt etwas hoch, das ein schwergewichtiger Mann begutachtete, der ein Flanellhemd trug, das ihm einige Nummern zu klein war und einen Teil seines Bauchs entblößte. Neben dem Laster standen Charlies Leibwächter – vier breitschultrige Männer mit schwarzen Hüten, schwarzen Hosen und schwarzen Jacken, die sich automatische Waffen um die Schultern gehängt hatten. Falls sie mitbekommen hatten, dass es regnete, ließen sie es sich jedenfalls nicht anmerken. Sie standen einfach da wie Wachhunde. Während Charlie auf der Ladefläche mit seinem Kunden verhandelte, behielten die Wächter die anderen im Auge, die darauf warteten, an die Reihe zu kommen. Es wirkte so, als würden die Muskelmänner jeden Moment mit einem Überfall rechnen. Aber die ungefähr zwanzig Personen, die sich dort versammelt hatten, wirkten nicht so, als wären sie zu mehr in der Lage, als nach Hause zurückzukehren, was immer das auch war. Es waren durchweg Männer. Unrasiert und schmutzig, mit eingefallenen Gesichtern, die nicht gerade bedrohlich dreinblickten. Einige hatten Fahrräder dabei. Einer trug eine verbogene Gitarre auf dem Rücken. Ein paar von ihnen standen in einem Kreis zusammen und versuchten, sich Zigaretten anzuzünden, während sie auf einen alten Chevrolet-Pick-up deuteten, der anscheinend einem von ihnen gehörte. Weitere Pick-ups standen am Rand. Ein älterer, gebeugter Mann stand einige Meter von Charlies Laster entfernt in der Reihe. Um seinen Hals hing ein Schild aus Sperrholz, auf dem stand: DAS ENDE IST NAH . Aber das Wort NAH war durchgestrichen und durch DA ersetzt worden. Alle Buchstaben waren mühsam gestrichelt.
    Cohen schob die Schrotflinte unter den Sitz, als wäre sie an diesem Ort verboten. Dann stieg er aus dem Jeep, schob sich die Kapuze vom Kopf, nahm die Strickmütze ab und legte sie auf den Sitz. Er strich sich die Haare glatt und hob die leeren Gasflaschen vom Rücksitz. Dann ging er zu den Männern, die sich dort unordentlich angestellt hatten.
    Er warf Charlie einen Blick zu. Der gute alte Charlie. Vieles hatte sich verändert, er nicht. Er war der Kuhhändler, der Pferdehändler, der Typ, der mit Gebrauchtwagen und -traktoren handelte oder mit irgendwas anderem, das er in seinem Vorgarten hortete. Er hatte keine Frau, die sich darüber beschweren konnte, dass er den Rasen ruinierte. Charlie war alleiniger Herrscher über sein Grundstück, seinen Lagerschuppen, seine Scheune. Und er wusste, wie man Sachen zu Geld machte. Früher hatte Cohen zwischen seinem Vater und Charlie auf der Vorderbank eines Pick-up gesessen. Beide Fenster waren kaputt gewesen. Sein Vater saß hinter dem Lenkrad, eine Zigarette in der linken Hand. Charlie hatte den Arm auf die Tür gelegt und rauchte mit der Rechten. So fuhren sie hoch nach Wiggins auf den Markt, mit einem Anhänger hinten dran. Manchmal verkauften sie Kühe, manchmal kauften sie welche. Manchmal kamen sie mit einem Pferd nach Hause. Sie waren ständig auf der Suche nach etwas Besserem, und das Feilschen war der heiß ersehnte Moment des Tages. Sie fuhren nach Wiggins und parkten auf dem großen Kiesplatz, wo schon jede Menge Autos und Wohnwagen standen. Nach der Ankunft warfen sein Vater und Charlie die Zigaretten weg, steckten die Hosenbeine in die Stiefel, schnallten die Gürtel enger und zündeten sich eine weitere Zigarette an. Ich will auch eine haben, sagte Cohen dann jedes Mal. Nein, zum Teufel, sagte sein Vater. Gib ihm doch eine, mischte Charlie sich dann ein. Aber er ist doch erst zehn, Charlie. Und im nächsten Jahr würde sein Vater dann sagen: Er ist doch erst elf, Charlie. Und so weiter, bis Cohen groß genug war, sich selbst Zigaretten zu besorgen. Aber sogar da machte es noch Spaß, danach zu fragen. Anschließend ging er mit den Männern über den Parkplatz auf das große Gebäude mit dem Metalldach zu. Sein Vater und Charlie winkten anderen Kerlen zu, sprachen kurz mit diesem oder jenem, und alle schienen sich im gleichen lethargischen Tempo zu bewegen, wie in Zeitlupe oder als ob sie Schmerzen hätten. Sie gingen träge und gebeugt, rauchten langsam und sprachen in abgehackten Sätzen miteinander. Cohen sah sich alles an und hörte zu. Und manchmal, wenn er zwischen den rauen Viehhändlern im Südwesten von Mississippi hindurchschlich, kam es ihm vor, als sei er in einen dieser
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