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Nach alter Sitte

Nach alter Sitte

Titel: Nach alter Sitte
Autoren: Breuer
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können, sie hatte abseitige, unbekannte Empfindungen in ihm geweckt. Doch dann hatte sie sich gegen ihn gewandt, sich über ihn lustig gemacht. Ihre Talente an jenem lächerlichen Bild vergeudet, seine Gefühle für sie verworfen. Und dann das dumme Gerede über ihren Papa, den sie so bewunderte. Papa ist bei der Polizei, Papa hat einen scharfen Verstand, Papa liebt mich, Papa kennt sich aus. Sie wollte aussteigen, ihn verraten, weil sie den geliebten Papa nicht länger hintergehen konnte. Er grinste bitter. Und ja, Papa hätte sie vom Bahnhof abholen sollen. Und da hatte sie gestanden. Und er hatte sie mitgenommen, ihr vorgemacht, es täte ihm leid. Und dann war sie für ihre Hybris bestraft worden.
    Danach kam der Wirbel, die Ermittlungen wegen der Fälscherwerkstatt und der getöteten Studenten. Und sein Partner, der sich verdächtig gemacht hatte und beinahe alles hätte auffliegen lassen. Jahrelang hatte er sich danach nichts getraut. Hatte sich versteckt. Neue Kraft gesammelt. Als er sich endlich wieder im Griff hatte, war er verwundert gewesen, wie einfach es weiterging. Als wäre nichts gewesen. Nur eines war geblieben. Eines hatte er sich für den Schluss aufgehoben. Diese rotzfreche Gerda Bertold sollte noch einmal büßen. Denn ihr geliebter und ach so schlauer Papa lebte noch. Die Bertolds hatten sein Leben zerstört – alles war ihm genommen worden – sein Partner, das Geschäft, sein guter Ruf. Auf das Grab des alten Bertold zu pissen, das wäre sein letzter stiller Triumph gewesen. Dazu blieb ihm nun jedoch keine Zeit mehr. Es musste anders gehen. Jetzt.
    Der Mann nahm einen Zettel in seine zitternde Hand und hielt ihn an die flackernde Kerze. Die Flamme gab kaum genug Licht, um die verblasste Handschrift auf dem knittrigen Papier entziffern zu können. Doch der Mann kannte den Text auswendig.
    Lieber Papa, ich bin ganz aufgeregt, kann es kaum erwarten, dir zu berichten – ich habe das Schlachtfeld des Ambiorix gefunden. In den alten Quellen, wie du immer vermutet hast. Doch das erzähle ich dir persönlich. Und ich muss dir etwas beichten, was Du nicht gut finden wirst. Ich bin da in eine Sache hineingeraten, die krimineller ist, als ich vermutet habe. Traue mich gar nicht, dir davon zu erzählen, aber es muss sein, denn ich befürchte Schlimmeres und brauche vielleicht deine Hilfe. Eigentlich habe ich in den letzten Briefen an dich schon vieles von dem erwähnt, was mich jetzt zu erdrücken droht. Dein Scharfsinn wird es dir aufzeigen. Es geht um den Dozenten an meiner Uni, von dem ich dir erzählt habe. Ich glaube, er ist viel gefährlicher, als ich bislang dachte. Ich komme nächstes Wochenende ja nach Hause, dann berichte ich von allem, den schönen und den weniger schönen Dingen. Bis bald .
    Deine Gerda
    Das dumme Mädchen hatte diesen Brief nie abgeschickt. Hatte ihn bei sich getragen, als er sie in jener Nacht am Kölner Hauptbahnhof abgepasst hatte. Langsam schob er das Papier näher an die Kerze. Beobachtete, wie es an einer Kante zu glimmen begann, noch bevor es die Flamme wirklich berührte, und dann hell zu brennen begann. Die mädchenhafte Schreibschrift verschwand. Als das Feuer die zuckenden Fingerkuppen des Mannes erreicht und eine schmerzhafte Rußspur darauf gemalt hatte, war von Gerdas Brief nicht mehr übrig als ein fragiler Hauch von Kohle.

30. Kapitel
    Der Mond stand beinahe voll an einem sternenklaren Himmel. Lorenz war froh darüber, denn so hatten sich die Meinungsverschiedenheiten darüber, ob man mit oder ohne Taschenlampen zum Burgfelsen gehen sollte, erledigt. Rita hatte mit Licht gehen wollen, sie war ohnehin skeptisch gewesen, dort überhaupt jemanden anzutreffen. Nun, da die Nacht ihnen ein natürliches Licht schenkte und sie den Pfad vor sich gut erkennen konnten, blieben die Taschenlampen aus.
    Lorenz machte den Anfang, er kannte den Weg und war der langsamste Geher. Benny hatte es sich nicht nehmen lassen, einen Teil seiner Kletterausrüstung mitzunehmen, da er sich an ein haariges Abenteuer mit Opa Bertold am Burgfelsen erinnerte. Karabiner hatte er wegen der nervigen Klimperei jedoch auf Lorenz' Protest hin zurücklassen müssen.
    Dieser Gang kam dem Alten irgendwie unwirklich vor. Hinter sich Rita und Paul, Bärbel, Gustav und Benny in einer seltsamen Karawane durch die Nacht. Es war Sommer, und so verwunderte es nicht, dass auf dem Parkplatz vor der Burganlage noch einige Autos standen und auch noch vereinzelt Menschen unterwegs gewesen waren. Lorenz fragte
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