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N. P.

N. P.

Titel: N. P.
Autoren: Banana Yoshimoto
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schlecht. Wir haben ja damals nicht einmal miteinander gesprochen!«
    »Ich erinnere mich aber immer noch. Gut sogar. Kannst du schon weg? Wollen wir nicht zusammen was essen gehen? Das heißt, wenn du nichts anderes vorhast …«
    Ich nickte: »Ja, laß uns gehen. Wir haben uns viel zu erzählen.« Anstelle einer Antwort lächelte sie nur. Ein Lächeln, das einen sofort in seinen Bann zog und das Herz reinwusch.
     
    Wir verließen das Gebäude und überquerten den Hof in Richtung eines der Studentenlokale hinter der Uni. Es war die Stunde, in der die Hitze des Tages sachte vom hellblauen, durchscheinenden Himmel aufgesogen wird.
    »Der Abendhimmel sieht schon ganz sommerlich aus«, sagte Saki.
    Ich stimmte zu und bemerkte: »Funktioniert übrigens bei den Psychologen die Klimaanlage? Bei uns nicht. Im Sommer ist es die Hölle, sag ich dir!«
    Sie lachte und erwiderte: »Natürlich funktioniert sie nicht. Deshalb überleg ich mir die tollsten Ausreden, um die ganze Zeit in der Bibliothek verbringen zu können.«
    Saki – »die Blühende«. Sie war wie ihr Name, wie eine Blume, voll sanfter heller Freude. Sie schien sich im Wind zu wiegen und das Leben mit frohen Erwartungen und großen, offenen Augen anzusehen.
    Das Lokal war überfüllt mit Studenten. Durch das große Fenster fiel die Abendsonne herein und färbte den lärmerfüllten Raum orange. Ich bestellte Suppe mit Brot, Saki ein Sandwich. Wir teilten uns einen Krebssalat und eine halbe Flasche Weißwein.
    Beim Essen kommt man sich ja immer schnell näher. Doch wir beide brauchten diese Brücke nicht einmal und sprachen gleich ganz offen miteinander, da wir uns sowieso sehr bald nahegekommen wären.
    »Lebst du allein?« fragte ich.
    »Mein Bruder wohnt bei mir, seit er aus Boston zurück ist. Von Yokohama aus immer hin- und herzufahren wäre einfach zu umständlich. Aber wir besuchen Mutter und die Großeltern jedes Wochenende. Ich geh dann mit Mutter einkaufen und so. Ich bin ja ihre einzige Tochter, da hat mans nicht leicht!«
    »Fühlt sich deine Mutter nicht einsam – mit euch beiden hier in Tōkyō?«
    »Na ja, daß man nach dem Tod des Ehemannes zu dessen Eltern zieht, noch dazu in ein anderes Land, ist auch nicht die Norm. Aber es klappt prima. Mutter ist ohnehin nicht der Typ, der oft ausgeht, und meine Großeltern sind einfach ein Traum. Zu Anfang haben wir schon befürchtet, sie verwandeln sich jeden Moment in Monster! Erstaunlich, was?«
    »Ja, wirklich die ungewöhnlichste Entwicklung in eurem Leben.«
    »Mutter nimmt das alles nicht mehr so genau, da sie in der Zeit mit Vater ziemlich gelitten hat. Und du? Lebst du allein?«
    »Ja, meine Schwester hat vor drei Jahren einen Ausländer geheiratet und ist nach England gegangen. Damals löste sich unsere Familie auf, ich meine, in gegenseitigem Einvernehmen natürlich. Vater war seit der Scheidung sowieso weg. Mutter hat vor zwei Jahren wieder geheiratet und wohnt in Setagaya {3} . Seit ich an der Uni bin, hab ich also ständig allein gelebt.«
    »Hier in der Nähe?«
    »Ja, im Bezirk F.«
    »Dann wohnen wir ja sogar in derselben Gegend! Warum haben wir uns bloß nicht schon früher getroffen?«
    »Ja, wirklich!« Ich nickte.
    »Bei Otohiko hattest du da ja keine Schwierigkeiten!«
    »Wenn noch viele andere Leute dagewesen wären, hätte ich ihn wahrscheinlich auch nicht bemerkt. Aber das Schicksal spielte ihn mir sozusagen auf menschenleerer Straße direkt in die Hände!«
    »Du hast bei uns aber auch einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Warum bloß? Wir haben uns doch nur einmal kurz gesehen.«
    »Vermutlich weil ich euch damals so angestarrt habe«, lachte ich.
    »Als Shōji Toda gestorben ist, mußte ich jedenfalls sofort an dich denken«, sagte Saki. Ich nickte und erwiderte:
    »Ich bin nicht mal zur Beerdigung gegangen. Ich konnte einfach nicht, verstehst du?«
    »Ja. Muß ein Schock für dich gewesen sein«, sagte Saki.
    »Du hast sicher Nachforschungen darüber angestellt, warum er Selbstmord begangen hat, oder?« fragte ich.
    »Tja … ich hab daran gedacht, die Erzählung selbst zu übersetzen, aber vorläufig ist es bei dem Vorsatz geblieben … scheint Vaters Blut in mir zu sein. Der Hang zum Selbstmord soll ja unter Umständen erblich sein. Außerdem haben sämtliche Leute, die sich näher mit der Erzählung befaßt hatten, den Freitod gewählt! Natürlich hab ich Angst, aber, na ja, da ist auch das Gefühl, daß gerade ich die Aufgabe vielleicht am besten erfüllen könnte. Ich
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