Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mythor - 074 - Das Fest der Masken

Mythor - 074 - Das Fest der Masken

Titel: Mythor - 074 - Das Fest der Masken
Autoren: Giesa Werner K.
Vom Netzwerk:
Kriegerinnen intensiver als andere Menschen. Ihr Leben war der Kampf, der Tod. Jede Stunde konnte die letzte sein. Und so genossen sie die Stunden der Muße viel stärker als andere Menschen, feierten ausgelassener und heftiger… und blieben doch immer den ihnen eingebleuten Verhaltensweisen treu.
    Bei Scida hatte das Mutterglück versagt. War es Verbitterung darüber, daß sie einen Mann in ihrem Leben duldete, dem sie größtmögliche Freiheiten gewährte? Einst war es Kunak gewesen, den sie aus dem Land der Wilden Männer geholt und gezähmt hatte. Jetzt hatte sie nach Kunaks Tod Mythor unter ihre Fittiche genommen. Mythor trug Kunaks Kleidung. Er war Scidas „Beutesohn“. Unter ihrem Schutz genoß er die Freiheiten, die für andere Männer undenkbar waren. Sie hatte ihn im Kampf geschult, daß er es mit den meisten anderen Amazonen aufnehmen konnte, sogar mit mehreren zugleich, und sie ließ keine Gelegenheit aus, anderen zu beweisen, daß ein Mann – eben ihr Beutesohn – all das konnte, was eine Amazone vollbrachte. In gewisser Hinsicht war sie eine Rebellin.
    Und irgendwie hatte er sie überflügelt. Zwar stellte sie immer wieder klar, daß sie als Frau das Kommando führte. Aber insgeheim hatte sie sich ihm längst angeschlossen. Er mußte zu Fronja, nicht sie. Ein neues Ziel… ihr Schiff hatte sie verloren, die Stern von Vfalang, zerschmettert von den Mächten aus der Schattenzone im Hafen der Schwimmenden Stadt Gondaha. Kunak hatte dabei den Tod gefunden. Hatte jenes Ereignis etwas in ihr zerbrochen? Hatte sie als Kommandantin ihres Schiffes versagt? Ordnete sie sich deshalb vielleicht sogar ungewollt Mythor unter? Hatte sie deshalb als neues Lebensziel erwählt, Mythor alias Honga zu begleiten?
    Oder irrte er in seiner Vermutung? Vielleicht war alles ganz anders. Scidas Wesen war kompliziert, war nicht innerhalb kurzer Zeit zu erfassen.
    „Auch Amazonen gebären Leben“, unterbrach Scida seine Gedanken rauh. „Vielleicht haben wir darin euch Männern etwas voraus. Ihr Männer in Gorgan – ihr könnt nur töten. Wir Kriegerinnen in Vanga jedoch töten und gebären. Ist das nicht besser?“
    Mythor zuckte in der Dunkelheit mit den Schultern. „Ich weiß es nicht“, sagte er. „Aber vielleicht würde es mir, wäre ich Frau, viel schwerer fallen, zu kämpfen und zu töten, weil ich immer daran denken müßte, daß auch das Leben, das ich geboren hätte, durch solchen Kampf und Tod zerstört werden könnte.“
    Scida erhob sich und sah ihn an. Seine Augen leuchteten gelblich in der Dunkelheit, wie sie es nie zuvor bei einem Mann, überhaupt bei einem Menschen gesehen hatte. Sie ahnte nicht, daß es eines der Merkmale war, die ihn als Sohn des Kometen auszeichneten.
    „Ich habe dich beobachtet“, sagte sie. „Du kämpfst gut – dank meiner Schule. Aber du tötest nur, wenn es sich nicht vermeiden läßt. Du bist ein merkwürdiger Mann. Zu weich?“
    „Vielleicht“, sagte er und erhob sich. Er ging an ihr vorbei zur Tür, trat hinaus. Scida stellte sich neben ihn.
    Es war eine seltsame Nacht, und er wünschte sich, jetzt mit Fronja hier zu sein. Fronja. Sein Traum… seine unerfüllte Liebe. Wo war sie? Er mußte sie finden.
    „Du denkst an sie“, flüsterte Scida leise.
    Mythor nickte. „Ist es nicht natürlich, in einer solchen Nacht an den Menschen zu denken, den man liebt?“
    „Ja…“ dehnte sie.
    Er sah auf das Meer hinaus. „Scida“, fragte er zögernd. „Hast du jemals geliebt?“
    Sie stieß einen pfeifenden Laut aus und schritt hastig davon. Erschrocken sah Mythor ihr nach. „Scida“, rief er leise. „Warte. Ich wollte dich nicht verletzen. Bitte…“
    Aber die Dunkelheit hatte sie verschluckt.

2.
    Am nächsten Tag zeigte sich Scida äußerst schweigsam. „Was hat sie?“ fragte Gerrek gegen Mittag. „Sie hat mich heute noch nicht ein einziges Mal angeranzt.“
    „Sei froh“, sagte der Aase Lankohr.
    Mythor schwieg. Er versuchte auch nicht, Scida entgegenzukommen. Er schien eine alte Wunde berührt zu haben, und jeder Versuch, sie zu schließen, würde sie weiter öffnen. Scida mußte von selbst darüber hinwegkommen.
    Und sie kam.
    Am kommenden Morgen ranzte sie Gerrek wieder an, der darüber förmlich aufblühte.
    Es war der Morgen, an dem die Lumenia die Stelle passierte, an der die Enge zwischen den beiden Inseln Gavanque und Naudron am schmälsten war.
    Wenig später tauchte die Erste Bürgerin bei ihren Passagieren auf, die sich in Kalisses Unterkunft
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher