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Mythor - 054 - Vina, die Hexe

Mythor - 054 - Vina, die Hexe

Titel: Mythor - 054 - Vina, die Hexe
Autoren: W. K. Giesa
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Es war bei einigem Geschick sogar möglich, gegen den Wind anzukreuzen.
    Die Gondel selbst durchmaß drei Mannslängen, war deren zwei hoch und mit Tauen und einem verwirrenden Netz aus Seilen am Ballon verankert. Von der Deckenluke führte eine Strickleiter nach oben, um auch während des Fluges Zugang zum Ballon selbst zu ermöglichen. Die Gondel bestand aus einem Gestell aus Hohlknochen und war mit eben jener Drachenhaut bespannt, über die sich Gerrek ständig aufzuregen pflegte. Das Innere war mit allen lebensnotwendigen Dingen einer Speisekammer und einer kleinen Küche ausgestattet. Wasserbehälter ergänzten die Ausrüstung ebenso wie ein Fach, in dem sich Kleidungsstücke und wärmende Felle befanden, in welche man sich in kälteren Regionen hüllte. Außer Gerrek und seiner Herrin Vina fanden noch vier bis sechs weitere Personen Platz, doch dann war der Zugvogel auch schon überfüllt. Momentan flogen sie zu zweit.
    Der Ballon selbst flog durch seine Gasfüllung. Ein Gas, leichter als Luft, das überall in der Inselwelt aus Erdspalten trat, sorgte für den nötigen Auftrieb.
    Und eben an diesem Ballon hatte sich eine Meduse festgesetzt. Wie eine riesige, häßliche Beule klebte sie förmlich an dem rotgelben Vogelgesicht des Ballons und peitschte mit ihren Tentakelarmen. Sie war es, die die heftigen Schaukelbewegungen des Luftschiffs hervorrief.
    Und es sah ganz so aus, als hielte sie den Zugvogel für eine brauchbare Mahlzeit.
     
     
    *
     
    »Eine Meduse!« wiederholte Gerrek mit allen Anzeichen des Entsetzens. Seine Knitterohren sanken herab. »Sie wird uns alle auffressen. Wir sind rettungslos verloren! Ich will hier raus!«
    Er stürzte zum Fenster, sah hinaus und schüttelte sich. »Nein!« entschied er. »Zu tief! Kannst du den Zugvogel nicht tiefer sinken lassen, damit ich hinausspringen kann?«
    Vina wandte langsam den Kopf und sah den Beuteldrachen an. »Wir können froh sein, daß wir so hoch fliegen«, sagte sie. »Sonst würdest du es tatsächlich wagen und einem arglosen Fisch auf den Kopf fallen.«
    »Was gehen mich die Fische an?« murrte Gerrek.
    Abermals schwankte der Zugvogel. Die Gondel schwankte an den Tauen heftig hin und her, um so heftiger, je stärker die Meduse am Ballon ruckte. Die Gondel tanzte förmlich.
    »Wir müssen etwas tun!« schrie Gerrek aufgeregt. »Kannst du das Biest nicht verzaubern? In einen Warzenfisch oder so etwas? Tu doch etwas!«
    »Für einen Mann bist du reichlich vorlaut«, stellte Vina gelassen fest und umklammerte mit beiden Händen die knöcherne Verstrebung neben dem Fenster.
    »Mann!« schrie Gerrek. »Ich wollte, ich wäre wieder einer - aber eigentlich doch nicht. Als Beuteldrache gefällt es mir in dieser Weiberwelt erheblich besser! Oh, diese verflixte Hexe, die mich in diese scheußlich schöne Gestalt verwandelt hat! Wenn ich sie doch endlich in meine Klauen bekäme!« Er ließ aufgeregt seinen Halt los, gestikulierte wild und zerdrückte etwas Unsichtbares zwischen seinen Händen. Dadurch verlor er bei der nächsten Schaukelbewegung wieder den Halt und konnte sich nur mit Mühe wieder abfangen.
    In der Tat; Gerrek war einst ein Mann gewesen. Und zwar ein Zauberlehrling, nur hatte einer Hexe seine vorlaute Art nicht gefallen, und kurzerhand hatte sie ihn in einen Beuteldrachen verwandelt. Sie mußte eine äußerst skurrile Phantasie besessen haben, denn ein Wesen dieser Art gab es bis dahin in ganz Vanga nicht. Gerrek war der erste und einzige seiner Art. Und da es keine Beuteldrachenfrau gab, war diese Art automatisch zum Aussterben verurteilt; die Vorstellung von einem halben Dutzend kleiner Gerreks blieb ein Wunschtraum des Mandalers.
    Seit er Beuteldrache war, war er auf der Suche nach der Hexe, die ihn verzaubert hatte, um sie zu zwingen, ihm seine wirkliche Gestalt wiederzugeben. Bislang hatte er sie nicht mehr finden können. Vinas Kräfte reichten für eine Rückverwandlung nicht aus; sie befand sich in den zwölf Abstufungen der Hexenkraft an achter Stelle, was ihr feuerroter Umhang und die Färbung ihrer Steine in den Ringen bewies. Also mußte sich Gerrek an die halten, die ihm diese Gestalt verschafft hatte.
    Andererseits war er nicht einmal so unfroh, ein Beuteldrache zu sein. Er besaß so etwas wie Narrenfreiheit und konnte Dinge sagen, die einem Mann zumindest eine Ohrfeige eingebracht hätte. Dazu kam seine Körpergröße; es war ihm vergönnt, auf die Frauen hinabsehen zu können, zudem konnte er Feuer speien und besaß den
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