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Mythor - 034 - Drachenflug

Mythor - 034 - Drachenflug

Titel: Mythor - 034 - Drachenflug
Autoren: Werner K. Giesa
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selbst dann, wenn er heiter, ausgelassen und sturzbetrunken war, immer irgendwie traurig wirkte. Doch der äußere Eindruck täuschte. Shenol war alles andere als ein weinender Knabe.
    Shenol befand sich in einer Höhe von etwa drei Mannslängen über dem Boden. Genauer gesagt, er lehnte gemütlich an der Rash-Mauer auf dem Wachturm, in dessen unterem Teil einer der beiden Zugänge zu Dhachar-Rash lag. Shenol hielt Wache und teilte dieses Leid mit Rhonaid.
    »Was hältst du eigentlich davon?« fragte der schnurrbärtige Rhonaid. Er hatte sich in eine der Scharten gesetzt, die Knie angezogen und riskierte hin und wieder einen Blick in die Steppe hinaus. Die Berker waren zwar als Räuber berüchtigt, aber bislang war es niemandem eingefallen, Dhachar-Rash in einem Großangriff zu nehmen und niederzubrennen. Wahrscheinlich deshalb, weil die Speicherburg ziemlich schwer zu erobern war. Ein erfolgreicher Angriff war nur unter extrem hohen Verlusten an Kriegern durchzuführen, und das wussten sowohl die übrigen Salamiterstämme als auch die Besatzungstruppen aus den Heymalländern. Es war einfacher, Räubertrupps an Ort und Stelle abzufertigen.
    »Wovon?« fragte Shenol der Traurige. »Von der jüngsten Erfindung Rarbhors?«
    Rarbhors Erfindungen waren berüchtigt. Der Berker schaffte es immer wieder, seine Gefährten mit neuen Erfindungen zu überraschen und zu beglücken oder zu verärgern. So hatte er eine Vorrichtung konstruiert, bei der nach dem Ziehen an einem Hebel ein unübersichtliches Gestänge einen Weinkrug an die Lippen des Benutzers hebelte. Wozu dieser Aufwand nötig war, fragte sich so mancher der Raubritter. Wer nüchtern war, konnte den Krug selbst heben, und wer so trunken war, den Krug nicht mehr halten zu können, war auch nicht in der Lage, an dem bewussten Hebel zu ziehen.
    Eine andere Erfindung lief darauf hinaus, dass eine untreue Ehefrau mit einem speziellen Mechanismus in einen großen Wasserbottich befördert wurde, und die jüngste Erfindung, die Shenol zur Sprache gebracht hatte, waren zwei metallene Becher, die durch eine Schnur verbunden waren. Rarbhors Worten zufolge sollte man in den einen Becher sprechen können, und gleichgültig, wie groß die Entfernung zwischen den beiden Bechern war, konnte man, wenn man in irgendeinem anderen Raum den zweiten Metallbecher ans Ohr hielt, die Worte verstehen.
    Shenol hatte es nicht selbst ausprobiert, sondern nur davon erzählen hören, aber er hielt von dieser Erfindung nicht allzu viel. Es war ihm, als sei Magie im Spiel. Aber alles, was Magie schuf, war ein Werk des Bösen. Shenol der Traurige konnte sich nicht ganz mit dem anfreunden, was Cran Moushart betrieb, und Moushart sollte den Gerüchten zufolge einen Dämon beherrschen.
    »Idiot«, sagte Rhonaid. »Ich meine die Erzählungen von einem Nordländer und dessen Schätzen. Und ich meine das Ausbleiben des Trupps, der ihn und seine Gefährten überfallen sollte.«
    Der Traurige sah nach dem Stand der Sonne. »Wahrlich, sie könnten zurück sein«, stellte er fest.
    »Das ist alles, was du dazu zu sagen hast?« fragte Rhonaid.
    »Was soll ich dazu sagen?« brummte Shenol. »Ich habe den Fremden weder gesehen, noch gehöre ich zu jenen, die der Cran aussandte. Aber da der Trupp so lange ausbleibt, nehme ich an, dass die Beute groß ausfiel und sie sie nicht so rasch transportieren können.«
    »Das wäre gut«, sagte Rhonaid und sah wieder hinaus.
    Irgendwo in der Ferne erhob sich eine Staubwolke.
    »Holla«, sagte Rhonaid. »Ich glaube, sie kommen.«
    Shenol sah mit traurigem Gesichtsausdruck hinaus. »Das ist erfreulich«, stellte er fest.
    Näher und näher kam der Trupp. Allmählich wurde erkennbar, dass es sich um erheblich weniger Reiter handelte, als ausgesandt worden waren, und so, wie es aussah, führten sie auch keine Beute mit sich. Nach einiger Zeit erreichten sie die Serpentine, die am Tafelberg zur Rash emporführte, und machten sich an den Aufstieg.
    »Schurketen wären nie so dreist. Es müssen also unsere Leute sein«, sagte Rhonaid betroffen.
    »Wenn Rarbhor endlich einen Kasten erfinden würde, mit dem man in die Zukunft sehen kann, wüssten wir es«, sagte Shenol. »Aber dazu ist er wohl zu dumm.«
    »Zweifelst du an seiner Genialität?« brauste Rhonaid auf.
    Shenol der Traurige schwieg. Er sah in der Ferne eine weitere Wolke auftauchen. Wer mochte es sein?
    »Sag an, Rhonaid«, brummte er mit einem Gesichtsausdruck, als würde morgen die Welt untergehen, »weißt du, ob
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