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Mystik des Herzens

Mystik des Herzens

Titel: Mystik des Herzens
Autoren: Ingrid Riedel
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»fließt« es, strömt es wie von selbst. Teresa leitet dieses Bild, das wir wieder malen sollten, als ein neues Bild aus der Erkenntnis ab, dass auch seelische Erfahrung, spirituelle Erfahrung in Fluss kommt, wenn man sich ihr regelmäßig zuwendet, ihr Libido zuströmen lässt, sie pflegt. Dann wächst etwas.
    Teresa aber führt uns weiter zu dem schönsten Vorgang,den jeder Gärtner, jede Gärtnerin kennt: dass es nämlich nach einem heißen Sommertag zu regnen beginnen kann, dass der Regen frei und reichlich vom Himmel fällt, so dass alles erfrischt wird, was da lebt, dass alles sich aufrichtet und duftet. Es ist »der Segen des Himmels selbst«, der ungesucht, unverfügbar und spontan über dem Garten aufgeht. Hier kann uns die Erinnerung kommen, dass auch wir solchen beglückenden Regen schon erlebt haben, was wir nun festhalten sollten. Auch können wir die damalige Situation aus der Erinnerung heraus malen und unsere Dankbarkeit dafür noch einmal ausströmen lassen.

    Zu Edith Stein:

    Wenn wir Edith Steins Zugang zur mystischen Erfahrung nachvollziehen wollen, dann geht es um den Umgang mit unumgehbarem, gleichsam schicksalhaft zugemutetem Leiden, wie es zum Beispiel soziale Ausgrenzung, politische Verfemung bis hin zur Gefahr der Vernichtung sein können, wie Edith Stein, die dem Rassismus des NS-Regimes ausgeliefert war, es erfuhr. Es geht hier um den Extremfall des Leidens unter einem politischen Regime, dem man allenfalls zu entkommen, das man aber mit den gegebenen Mitteln nicht zu beeinflussen vermag. Edith Steins extremes Leiden scheint sie zu einem besonderen Fall zu machen, der unsere persönliche Leidenserfahrungen übersteigt. Wir dürfen dies nicht verkleinern und die Ebenen nicht verwechseln. Umso mehr können wir von ihr lernen: Was im Extremfall trägt, trägt auch in anderen Formen schweren Leidens, wie sie Trennung, schwere Krankheit, Verlust und Tod über uns bringen können.
    Auch heute erleiden unzählige Menschen totalitäre Regimes, wie das in Nord-Vietnam, in Birma, in Somalia geschieht, die unter Regimes leben, die uns zunächst entfernterscheinen und auch sind: doch das zwischenmenschliche Problem der Gewalt, der psychischen, physischen und politischen Gewalt, unter die man als Mensch geraten kann, ist allgegenwärtig. Auch die Zahl derer unter uns ist nicht gering, die in der zweiten und dritten Generation unter jenen Gewalttaten des NS-Regimes noch leiden, das ihnen oft das ganze Familiennetz zerriss. Wie kann man diese schweren Traumatisierungen, die Generationen übergreifen, als Mensch und menschlich überstehen und bestehen?

    Wenn wir Edith Steins »Kreuzeswissenschaft« auch nur in den Anfangsgründen mitvollziehen wollen und können, so müssen wir – wie auch Teresa von Avila es tat – »mit Christus« in den Garten Gethsemane gehen (indem wir diese Situation imaginieren) und »mit Gott« darum ringen, dass »der Kelch«, dieses schwere Schicksal vorübergehe. Ehe wir uns hier, was uns dimensional überstiege, mit Christus zu identifizieren versuchen, könnten wir uns eher mit einem der Jünger vergleichen, auf die Jesus in dieser Situation hoffte – »könnt Ihr nicht eine Stunde mit mir wachen?« – und zu versuchen, nicht zu kläglich zu versagen, wie sie, indem sie sich von Müdigkeit und Resignation übermannen ließen.
    Es geht zuerst um dieses Wach-Sein, Wach-Bleiben, und »mit Christus« an Ungerechtigkeit und Unverstand der Welt, die den Tod bedeuten können, mitzutragen. Es gilt, Christus als Symbol dafür zu verstehen, dass »Gott«, dass »das Leben selbst« daran leidet, wo Menschen leiden, auch wo Natur leidet. Und dass es gilt, da bei Gott zu stehen, dafür mit einzustehen, dass dieses Leiden bemerkt und gewandelt wird. Wie aber? Eben dies kann unsere Meditation sein.

    Erste Übung:
Es gilt, wie Edith Stein selbst es tat, zunächst einmal jeden möglichen Widerstand gegen Entwicklungen zu leisten, die andere Menschen und uns selbst in solches Leiden führen können: Wie Edith Stein, nachdem sie Glied der Kirche geworden war, zunächst ein Mahnschreiben an den verantwortlichen Bischof, schließlich an den Papst selbst richtete, die Judenverfolgung öffentlich zu verurteilen, zu stoppen. Sie wagte damit nichts Geringes. Auch uns könnte solche ein Aufdecken gefährlicher politischer Situationen, die Menschen in Gefahr bringen, in bestimmten Fällen aufgetragen sein.
    Edith Stein drängte sich nicht ins Märtyrertum, sondern versuchte zuerst, in einem
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