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Mystik des Herzens

Mystik des Herzens

Titel: Mystik des Herzens
Autoren: Ingrid Riedel
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Marguerite Porète:

    Erste Übung:
Die Übung der Liebe: Marguerite Porètes Annäherung an »Gott« können wir vielleicht ein Stück weit nachvollziehen, wenn wir ihre Vorstellung des »Fern-Nahen« mit zu vollziehen versuchen.
    Dabei mag uns die Erfahrung mit einem geliebten Menschen den Weg weisen, den Pfeil unserer Liebe bis ins Transzendente fliegen zu lassen.
    Auch ein geliebter Mensch ist für die Liebende immerzugleich ein Naher und ein Ferner: Die Augenblicke gelebter Nähe werden innerlich auch in die Zeiten der Entfernung mitgenommen, in Erinnerung, Vergegenwärtigung und Sehnsucht. In der Sehnsucht nach dem anderen; indem er oder sie uns spürbar fehlt, ist er oder sie mir zugleich stark gegenwärtig, zieht mich gleichsam zu sich heran.
    In diesem Sinne haben Mystikerinnen in der Sehnsucht nach »Gott«, nach »dem Leben selbst« immer auch schon die Annäherung und Anziehung von der anderen Seite her, von der Seite des Ersehnten her, wahrgenommen.
    Wenn wir Marguerites Mystik der Liebe zu »Gott« verstehen und uns auf sie einlassen wollen, lassen wir am besten unsere eigene Sehnsucht zu, nehmen sie wahr – und mit ihr die Erinnerung an erfüllte Augenblicke, in denen »das Leben selbst«, das »Heilige«, »Gott« uns nahe waren.
    Aus der Erinnerung wird Vergegenwärtigung, aus der Vergegenwärtigung Sehnsucht und zugleich das Gefühl, vom Ersehnten herangezogen zu sein in solche erfüllte Momente. Aus der Sehnsucht kommt ein Wissen um ein Angezogenwerden von der anderen Seite her. Darüber kann es zur Wiederbegegnung, zur Wiedervereinigung kommen.
    Ein Gedanke aus der Sufi-Mystik, der in die gleiche Richtung weist, mag uns hierfür hilfreich sein: Danach kann auch die unerfüllte Liebe zu einem anderen Menschen als »Pfeil der Sehnsucht« verstanden werden, der über alle menschlich mögliche Liebe hinaus ins Transzendente, zur »Liebe selbst«, zum göttlichen Geliebten gleichsam vorausfliegt.
    In diesem Sinne können wir üben zu lieben wie Marguerite Porète, für die die Liebe alles war.

    Zweite Übung:
Die Übung der Freiheit: Aus der Liebesverbundenheit mit »Gott«, mit »dem Geheimnis des Lebens«, mit dem »Leben selbst«, erwuchs Marguerite Porète eine unerhörteund hinreißende Freiheit, die in uns die Sehnsucht nach solcher Freiheit erwecken kann.
    Stellen wir uns also eine Abhängigkeit vor, von der wir wissen, eine Gebundenheit, die es in unserem Leben gibt, vor die inneren Augen, erinnern wir uns daran, wie wir uns bisher bemühten, darüber hinauszukommen, und legen wir nun eben diese Abhängigkeit, diese Gebundenheit in das Licht solcher Freiheit, wie Marguerite sie kannte, oder besser noch: werfen wir sie in den Wind der inneren Freiheit, der sie davonträgt, wie er auch uns selbst beflügelt, und schon wird unsere Sehnsucht nach dieser Freiheit neu entfacht und gewinnt große Intensität. Mit der Sehnsucht aber wächst die Chance, dass wir aus unserer Gebundenheit loskommen und hinaus in den Wind der Freiheit treten, von dem wir uns tragen lassen.
    Was ist aber dieser Wind der Freiheit? Bei Marguerite ist er nichts anderes als der Sturm der Liebe, der von dem Unbedingten, von Gott ausgeht, dem »hinreißend Fern-Nahen«. Es ist Liebe, von der ich mich hinreißen lassen kann und vor der alles Bedingte und Begrenzende unwichtig wird, so dass ich es loslassen kann. Dieses Hingerissensein von Gottes Liebe gibt zugleich Gelassenheit in allen anderen Dingen. Verbunden mit dem Liebes- und Lebensatem, der die Welt durchweht, kann uns nichts mehr trennen vom Leben selbst, von der Liebe selbst, die wir Gott nennen können. In diesem Erleben können wir unsere kleineren und größeren Ängste loslassen, die wir zunächst einmal benennen und bewusst machen, indem wir sie niederschreiben. In dieser Benennung werden sie schon wie in einer ersten Geste auch gebannt. Und wenn wir sie niedergeschrieben haben, werfen wir sie in die wachsende Erfahrung hinein, in den Wind der Freiheit, in das Wissen und die Erfahrung, von der Liebe getragen zu sein, die letztlich – so der Johannes-Brief im Neuen Testament – Gott selbst ist. (1. Joh. 4,16)
    Imaginieren wir doch diese Übung aus, wie uns der große Atem der Liebe, der Wind der Freiheit ergreift und über uns und unsere Ängste und Beengtheiten hinausträgt. Erleben wir dieses Fliegen im Wind der Freiheit und spüren wir, wohin sie uns trägt.

    Zu Teresa von Avila:

    Erste Übung:
Wenn wir Teresa von Avilas wesentlichen Anstoß selber
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