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Mystic City 2. Tage des Verrats (German Edition)

Mystic City 2. Tage des Verrats (German Edition)

Titel: Mystic City 2. Tage des Verrats (German Edition)
Autoren: Theo Lawrence
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geöffnete Tür blicke ich in ein Zimmer, das mit Pritschen vollgestellt ist. Hier ruhen alte und schwache Mystiker, die Decke bis zum Kinn hochgezogen. Eine deutlich jüngere Mystikerin mit hüftlangem, blondem Haar kniet auf dem Boden und füttert eine Frau mit Suppe. Ich meine mich zu erinnern, dass die Blonde Sylvia heißt.
    »Kann ich irgendwie helfen?«, frage ich, als sie mich bemerkt.
    Sie schüttelt nur den Kopf. Ich gehe weiter. Unwillkürlich frage ich mich, wie viele verwundete Mystiker wohl noch in Manhattan sind: Menschen, die keine Kraft mehr haben, um zu kämpfen oder zu fliehen.
    Die Tür zu meiner Rechten habe ich noch nie geöffnet. Sie ist mit einem Riegel verschlossen und führt angeblich in einen muffigen Keller, aus dem man über einen Tunnel in das nächste Farmgebäude gelangt. Für den Fall, dass wir angegriffen werden, hat mir Shannon am ersten Tag erklärt. Seitdem hat sie kein Wort mehr über dieses Thema verloren. Da man mystische Energie aufspüren kann – selbst die schwache Aura der Abgeschöpften, die sich gerade wieder erholen –, ist ihre Anwendung hier verboten. Die haben zu viel Angst, dass meine Familie oder die Fosters unseren Unterschlupf auf diese Weise orten könnten. Falls tatsächlich jemals ein Angriff stattfindet, kann ich nur hoffen, dass der Tunnel genug Platz für uns alle hat.
    Am Ende des Flurs führt eine steile Stiege nach oben. Mein Zimmer liegt im obersten Stockwerk. Ich teile es mit einer gewissen Nelsa, die zwei bis drei Jahre jünger sein muss als ich. Genau kann ich es nicht sagen, denn sie hat bisher kein einziges Wort mit mir gesprochen, nicht einmal gegrüßt.
    Ich klopfe leise an, falls Nelsa da ist, und trete ein. Das Zimmer ist leer. Ich stelle meinen Teller auf dem schlichten braunen Schreibtisch ab, auf dem ein uralter Computer thront. Der riesige Monitor ist ein sperriges, graues Ding. Sofort vermisse ich meinen TouchMe.
    Ich drücke einen Schalter auf der Rückseite und der Bildschirm erwacht zum Leben. Hier gibt es nur eins, auf das ich mich den ganzen Tag freue und das mir die letzten Wochen erträglich gemacht hat: mein täglicher Videochat um halb acht mit Hunter. Ein paar Minuten lang kann ich sein Gesicht sehen und mit ihm sprechen. Und ihn fragen, wann ich in die Stadt zurückkehren darf.
    Ungeduldig warte ich, während der Computer knurrend wie ein Dinosaurier hochfährt. Ich tippe meinen Benutzernamen und mein Passwort ein und warte.
    Ping! Hunter ist online. Und hier ist eine Nachricht von ihm. Ich klicke sie an und ein Fenster geht auf. Da ist er.
    »Aria? Kannst du mich hören?«
    Er trägt ein hellblaues Hemd, mehrere Knöpfe sind geöffnet, sodass ich seine gebräunte Brust sehen kann. Wie immer ist das blonde Haar verwuschelt. Er streicht sich ein paar Strähnen aus der Stirn und lächelt. Dann beugt er sich vor, seine blauen Augen leuchten. »Hey, du!«
    »Selber hey«, antworte ich. »Wie geht’s dir? Wie war dein Tag?«
    Er runzelt die Stirn. »Nicht besonders. Aber dein Lächeln macht alles besser. Mann, wie ich dich vermisse!« Wie immer erkenne ich im Hintergrund ein Bücherregal mit alten, in Leder gebundenen Wälzern und einen rechteckigen Holztisch, auf dem sich Reliefkarten, mehrere TouchMes und Kaffeetassen befinden. Ich habe keine Ahnung, wo Hunter gerade ist.
    »Ich vermisse dich auch. Sehr. Willst du mir immer noch nicht verraten, wo du jetzt wohnst?«
    Er schüttelt den Kopf. »Es ist besser, wenn du es nicht weißt. Das dient nur deiner Sicherheit.«
    Als Hunter mich auf der Farm abgesetzt hat, versprach er mir, jeden Tag mit mir zu chatten, bis ich nach Manhattan zurückkehren kann. Ich darf gar nicht an den hektischen Abschied denken, an unsere heißen Küsse, denn dann vermisse ich ihn noch mehr.
    »Jetzt sind wir erst zwei Wochen getrennt«, sagt Hunter, »aber für mich fühlt es sich an wie zwei Jahre.«
    »Ich habe gerade genau dasselbe gedacht«, antworte ich. »Was ist denn heute Schlimmes passiert?«
    »Dein Vater.« Hunter verschränkt die Hände hinter dem Kopf.
    Mein Vater. Ich stelle mir Johnny Rose vor: ernst, streng, Pomade im Haar, eng geschnittener Anzug, selten ein Lächeln. Ein Stellvertreter der Elite und ein erfolgreicher Geschäftsmann, dem die halbe Stadt gehört. Leider ist er außerdem noch Drogenhändler und Gangster. Als er herausfand, dass ich mich hinter seinem Rücken mit Hunter traf, hat er versucht, mein Gedächtnis zu löschen und mir falsche Erinnerungen an Thomas Foster
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