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Muttersoehnchen

Muttersoehnchen

Titel: Muttersoehnchen
Autoren: Silke Fink
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wieder sauber wischen kann. Auf derselben Fläche kann man Briefe, ein Buch oder seine Examensarbeit schreiben, professionelle Layouts erstellen oder nur mal eben ins Unreine texten. Alles in einem und auf beliebiger Arbeitshöhe.
    In der Schriftsprache mussten wir uns noch Mühe geben. Es gab nur Papier, das wir entweder mit der Hand oder mit der Schreibmaschine beschreiben konnten. Wir hielten es für Dokumente, und je verdrehter und länger der Satz war, desto schlauer musste sein Absender sein. Das passte in die Zeit, in der Filme, die keiner verstand, den Grimme-Preis bekamen.
    Wir bekamen noch den Universaldonner auf das Fernsehen ab, als die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten noch keine Konkurrenz, aber ihren Programmauftrag kannten. Um den Beiträgen in der Wirtschaftssendung Bilanz folgen zu können, war ein BWL-Studium Voraussetzung. Intern nannte man das Redakteursfernsehen, weil es am großen Publikum vorbeiging: von Redakteuren für Redakteure. Daraus ist WiSo geworden, für dessen Verständnis man nur die Faxnummer, besser noch die eMail-Adresse notieren muss, unter der sich ein vorformulierter Verbraucherschutzbrief abrufen oder die Steuer-CD bestellen lässt. »Die Sendung mit der Maus« war einfach nur eine Kindersendung am Sonntagvormittag, damit Mutti in Ruhe den Braten vorbereiten konnte, der Tatort ein realitätsnaher Krimi im Ersten, und Volksmusiksendungen wurden nur dann und wann ausgestrahlt. Dennoch war bis auf das Wort zum Sonntag und die 100 Meisterwerke in den Augen unserer
Pädagogen alles schlecht, was aus der Glotze kam. Nur Lesen war gut.

    Da sind die jungen Kollegen entspannter, wie sie es von sich selbst sagen. Sie haben nichts dagegen, Massenunterhaltung in den schulischen Alltag einzubinden. Die modernen Pädagogen gehen mit der Zeit und vor allem mit den Medien. Dass sie mit ihren Klassen am Vormittag in den ersten Potter-Film liefen, stieß mir sauer auf, weil sie uns den schönen Familienausflug wegnahmen. Später ärgerte ich mich noch mal, dass die Lehrer den Film nicht vorher geprüft hatten, sondern sich arglos erstaunt äußerten, wie ziemlich brutal die Szenen aus dem Zauberinternat sind. In der Generation Golf haben moderne Zugänge viel mit Bequemlichkeit zu tun.

    Die Erneuerung der TÜV-Plakette ist unbequem für Maik. Daran hängt sein ganzer Plan und meine Hoffnung, dass der Wagen für tot erklärt wird. Aber den Gefallen tut mir der Prüfer nicht. Der Wagen fällt zwar im ersten Anlauf durch, bekommt aber ein anerkennendes: »Eigentlich Tip-Top!« . Nur ein paar Verschleißteile wie die Bremsbeläge und Staubmanschetten sind hinüber, die Reifen abgefahren und die geforderten Abgaswerte nicht zu erreichen. Doch es muss weder geschweißt noch gelötet werden. Die Beifahrertür klemmt, die Scheibe lässt sich nicht mehr herunterkurbeln und die Gurte rollen nicht zurück, aber das irritiert außer mir niemanden. »Der schafft locker noch mal 100.000«, meint der Herr Experte. Echt? Nun, natürlich stecke er nicht drin.
    Wir investieren 1.650 Euro in die Reparatur und 120 Euro Gebühren für drei Vorstellungen beim Technischen Überwachungs-Verein. Die Abgassonderuntersuchung erweist sich als die schwerste Hürde. Schließlich übergeben wir das Problem einem kleinen Gebrauchtwagenhändler auf dem Lande und bekommen die Plakette.
    Mit einem Anruf bei der Versicherung stellt sich heraus, dass der Wagen nicht das ganze Jahr über in Irland bleiben kann, ohne umgemeldet zu werden. Nur 156 Tage sind erlaubt. Maik meint,
dann könne er den Passat im Frühjahr zurückbringen. Das wird ja immer besser! Aber ich kann mich auf den Kopf stellen, der Deal läuft zwischen Vater und Sohn.

    Alle Eltern betrachten Einflüsse von außen erstmal kritisch, aber wir Golf-Eltern können uns gar nicht vorstellen, dass unsere Kinder sich überhaupt entwickeln, wenn wir es nicht veranlasst haben. Dadurch gerieten wir allerdings in einen Konflikt, weil unsere Erziehung ja nur ein Angebot war, und was unsere Kinder daraus machten – ihre Sache. Darauf beruft Maik sich nun und schickt mit wohl überlegter Verachtung den Elternteil – aktuell mich – vom Platz, der seinen Ideen im Weg steht. Gerade soviel, es mich büßen zu lassen, aber diszipliniert genug, dass ich meine erzieherischen Pflichten nicht zu offensichtlich hervorkramen muss. Dass ich vieles nicht wusste, was Maik wusste, verdrängte ich theoretisch und beunruhigte mich praktisch. Ich war zu aufgeregt, um zu bemerken, dass
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