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Mutterschuldgefuehl

Titel: Mutterschuldgefuehl
Autoren: Ulrike Hartmann
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rotiert es in meinem Kopf. Ist unser Kind in dieser Gesellschaft nicht erwünscht, wenn es den Standards nicht entspricht? Muss ich mich mein Leben lang rechtfertigen, wenn ich mich für ein hilfsbedürftiges Kind entscheide? Bin ich »selbst schuld«, wenn ich nicht abtreibe? Ja, muss ich mich schon schuldig fühlen, wenn ich nicht alle Untersuchungen der pränatalen Diagnostik durchführen lasse?

    Diese Gedanken sind so ganz und gar nicht die hellblaurosa Kinderidylle, die mir aus dem Pappkoffer entgegenschwappt, in der immer wieder beteuert wird, dass es zwar Risiken und Gefahren gibt, aber unser Gesundheitssystem alles für alle Kinder tut, damit es ihnen gut geht.

Von wegen Ruhe und Entspannung: Belastungsprobe Arztbesuch
    Ich kann nur noch entspannen, wenn ich mich in Ruhe hinsetze, die Hände auf den Bauch lege und nach innen spüre. Das sind die Momente, in denen ich mein Kind bedingungslos annehme, es spüre und mir selbst wieder vertraue. In denen ich weiß: Alles wird gut. Meine Besuche beim Arzt dagegen werden zur Belastungsprobe. Ist er zufrieden, laufe ich glücklich nach Hause. Runzelt er kritisch die Stirn, bricht mir der Schweiß aus, und ich bin mir nicht sicher, ob es nur die Angst vor Komplikationen in der Schwangerschaft ist oder auch die Panik vor neuen Beratungsgesprächen.
    Nun wollen wir hier nicht den Eindruck erwecken, dass Schwangere wie ich in deutschen Frauenarztpraxen zu Opfern mutieren, auch wenn meine Geschichte nur eine von vielen landauf, landab in Deutschland ist, von denen Schwangere atemlos berichten. Ich könnte hier noch weitaus beklemmendere Begebenheiten erzählen. Aber wer will sich schon die gute Laune verderben lassen? Wer will denn pingelig sein? Immerhin haben wir überhaupt ein Gesundheitssystem, was ja nicht jedes Land von sich behaupten kann, und dafür können wir doch sehr dankbar sein. Schwangerschaft ist kein Sonntagsspaziergang und wo gehobelt wird, da fallen Späne. Ist es denn wirklich menschenverachtend, realistisch ein Für und Wider von Menschenleben zu diskutieren? Da wollen wir doch mal vernünftig sein.
    Und schließlich kann jede immer noch frei entscheiden, auch wenn sie nicht gerade immer dazu ermutigt wird. Auch ich werde nicht gezwungen, nur gedrängt und schlecht beraten. Ich hätte jederzeit den Arzt wechseln können, was ich
auch getan hätte, wenn ich einen gefunden hätte, der weniger an pränatale Diagnostik glaubt.
    Es gibt viele schwangere Frauen, die gerne zum Gynäkologen oder zur Gynäkologin gehen. Wenn der Arzt oder die Ärztin wirklich gut ist und die Schwangere sich ernst genommen, respektiert, informiert und gestärkt fühlt nach einem Besuch. Wenn sie das Gefühl hat, dass sie gut aufgehoben ist mit ihren Entscheidungen und Empfindungen. Wenn der Arzt oder die Ärztin in ihrem Sinne handelt. Wenn sie keine Risikopatientin ist oder trotz Etikett nicht als solche angsteinflößend behandelt wird. Oder wenn sie gar nicht alles wissen will oder gerne die Entscheidung abgibt. Wir Frauen sind ja alle unterschiedlich.

Technik versus Intuition: Babyfernsehen
    Fast alle Schwangeren aber treibt ein ganz spezielles Vergnügen in die Frauenarztpraxen: die Ultraschallbilder des Ungeborenen. Ein Ultraschallgerät liefert Fotos des Nachwuchses im Mutterleib, die für Normalsterbliche wie wirres Fernsehrauschen aussehen, werdende Eltern aber in Verzückung geraten lassen. Ultraschall wird im Volksmund auch gerne »Babyfernsehen« genannt und übt eine solche Faszination auf die Eltern in spe aus, dass viele den nächsten Arzttermin gar nicht abwarten können. Mit Ultraschall kann ich meinen Nachwuchs direkt in Augenschein nehmen. Gerade ein paar Wochen gereift, kann ich ihn schon als Knubbel auf dem Monitor entdecken und das Herzchen schlagen sehen. Babyfernsehen ist reizvoll, auch für Frauen wie mich, die der pränatalen Diagnostik eigentlich kritisch gegenüberstehen.
    Moderne Ärzte sind findig und wissen um die Anziehungskraft ihres Gerätes. Wir können Ultraschallfotos in Farbe mit nach Hause nehmen oder ganze Filmsequenzen verewigen lassen. Wir Frauen brauchen nicht mehr altmodisch wie unsere Mütter nach innen zu spüren, um zu wissen, wie es unseren Babys geht. Wir können uns von Anfang an auf die moderne Medizin verlassen. Das Innere wird nach
außen verlegt. Wir sehen das werdende Kind auf einem Bildschirm, hören
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