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Mutterschuldgefuehl

Titel: Mutterschuldgefuehl
Autoren: Ulrike Hartmann
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sein Herz mithilfe der Dopplersonografie schlagen und der Arzt klärt über sein Befinden auf.
    Das heißt aber auch: Von Anfang an tritt hochmoderne Technik an die Stelle des eigenen Gespürs. Ja, fast unmerklich gerät die eigene Intuition in den Hintergrund. Die einfachen Dinge, wie in sich hineinhorchen, die Hände auf den Bauch legen und nachspüren. Ein Gefühl dafür zu bekommen, in welcher Verfassung das Ungeborene gerade ist. Vielleicht sogar zu ertasten, wie das Kind im Bauch liegt. Es gibt Schwangere, die sich als bekennende Technik-Freaks kaum mehr die Zeit nehmen, den eigenen Bauch aufmerksam abzutasten.
    Und so ist es vielleicht auch gar nicht verwunderlich, dass manche Ärzte, wie mein Arzt, der Intuition der schwangeren Frauen für ihre Körper, den Ahnungen und Gefühlen ihrer »Patientinnen« kaum noch Beachtung schenken und weit davon entfernt sind, Intuition junger Mütter zu fördern. Heute ist es in gynäkologischen Praxen eher Nebensache, ob Schwangere gelassen bleiben und wissen, dass alles in Ordnung ist, oder ob sie unruhig sind und Gefahr wittern. Real ist, was mit der Technik gemessen wird. Instinkte spielen in dieser Art Schwangerschaftsbetreuung eine untergeordnete Rolle. Das Vertrauen in die pränatale Diagnostik ist übermächtig. Für meinen Arzt bin ich eher eine Art Aufbewahrungsbauch mit veralteten Sicherheitsstandards. Ein Auslaufmodell mit Uralt-Intuition, das regelmäßig kontrolliert werden muss. Ich kann zwar spüren - und ich bin immer noch davon überzeugt, dass ich es kann, auch wenn er es mir nie bestätigt -, wenn es meinem Baby nicht gut geht. Ich kann aber nicht spüren, was die Ursache dessen ist, und deshalb interessiert meinen Arzt nicht, was ich fühle. Hochmoderne Technik ist in puncto Diagnostik menschlicher Intuition eindeutig überlegen, und genau das ist der Grund, warum ihr von allen Seiten ein so übermäßig großes Vertrauen entgegengebracht wird.

Pränatale Diagnostik: alles unter Kontrolle?
    Etliche Schwangere wissen das Angebot der pränatalen Diagnostik zu schätzen. Die gängigen Testverfahren sind ein wichtiges Gesprächsthema unter angehenden Müttern. Es herrschen rege Diskussionen: Welche Tests hast du gemacht? Was kostet dieses oder jenes Verfahren? Hast du schon die Ergebnisse? Einige Frauen sprechen erst von ihrer Schwangerschaft, wenn sie in der 11. bis 13. Woche die Ergebnisse der Nackenfaltenmessung erfahren, die schwere Behinderungen erschließen soll. Zahllose Mütter, die eine Fruchtwasseruntersuchung durchführen lassen, entwickeln erst ein Gefühl für ihr Kind, wenn alle Testergebnisse zu aller Zufriedenheit vorliegen, und das ist im Falle der Fruchtwasseruntersuchung im fünften oder sechsten Monat. Was dies für die Mutter-Kind-Beziehung bedeuten kann, ist bis heute noch gar nicht hinreichend untersucht. Bekannt ist, dass sich eine entspannte Schwangere von Anfang an das Baby und die Zukunft mit ihm in allen Variationen vorstellt und dadurch langsam die Ängste und Sorgen verarbeitet, die mit einer Schwangerschaft natürlich einhergehen. Diese Vorstellungen sind wichtig, um sich psychologisch intensiv auf das Kind vorzubereiten. Eine Schwangere, die mit dieser Vorbereitung Monate später beginnt, hat viel weniger Zeit, sich den dramatischen Veränderungen in ihrem Leben anzupassen.
    Befürworter der pränatalen Diagnostik argumentieren zuweilen, dass die modernen Untersuchungsmethoden eine gründliche Auseinandersetzung mit Behinderungen und Krankheit anstoßen würde. Schließlich hätten die 2 bis 3 Prozent der Eltern, die durch pränatale Diagnostik erfahren, dass ihr Kind behindert oder krank ist, ein paar Monate vor der Geburt Zeit, sich optimal auf die Situation einzustellen. Doch in Wahrheit weiß niemand, auch die medizinischen Experten nicht, wie das Kind und die Situation sich entwickeln werden. Es bleibt immer eine Ungewissheit bestehen. So manch ein pränatal diagnostizierter Wasserkopf stellte sich im Nachhinein als völlig gesund heraus. Manch eine Behinderung wurde in pränatalen Untersuchungen
übersehen. Und kein Aufklärungsgespräch und keine schonungslose Diagnose können den Schock der Eltern mildern, wenn das behinderte Kind geboren wird.
    Ãœber die beachtlichen Risiken der pränatalen Diagnostik, wie Schädigungen der Föten und Fehldiagnosen, sind nicht nur mein Arzt und
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