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Muttergefuehle

Muttergefuehle

Titel: Muttergefuehle
Autoren: Rike Drust
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seit zwanzig Minuten diskutieren, wie der Glow bei einem Produkt gesetzt ist, das allerhöchstens 1,3 Sekunden im Bild ist. Jedes Gesprächsthema wird gleich behandelt. Das kriege ich bei Leuten, die ich nicht so gut kenne, noch nicht so ganz hin. Noch immer betone ich als Erstes, wie wichtig mir mein Job und die Dinge sind, die ich für mich mache, dass ich eben nicht »nur« Mutter bin. Aber inzwischen zwinge ich ihnen zumindest ein paar Fotos von meinem Superjunior auf.
    Wie halte ich Smalltalk:
    • Ich versuche, das Thema Kind und Mutterschaft als ein Gesprächsthema von vielen zu betrachten.
    • Mit engen Freunden habe ich die Vereinbarung, dass wir uns Bescheid sagen, wenn einer zu viel über eine Sache redet. Das gilt aber für ALLE Themen. Dieses Prinzip versuche ich, auch bei anderen anzuwenden.
    • Ich wähle aus, was ich erzähle. Den Muttermund lasse ich bei den meisten Menschen genauso geschlossen wie die vollgekackte Windel. Alle anderen Themen bewerte ich auf meiner eigenen Langweiligkeitsskala und erzähle nur das, was ich selbst auch spannend finde.
    • Treffe ich eine Vollzeitmutter, erzähle ich ihr von meiner romantischen Vorstellung, wie ich den Sohn Vollzeit betreue, dass ich dazu nicht die Geduld habe, aber trotzdem toll finde, wenn Mütter sich dafür entscheiden.
    Geht nicht, ich stille noch!
    Die Einsamkeit einer stillenden Mutter.
    Meine Stillbeziehung ging nach sechs Monaten wegen unüberbrückbarer Differenzen in die Brüche. Als nach der Geburt die Milch einschoss und meine Brüste so groß wurden wie die von Domenica, wäre für mich eigentlich folgende Reaktion logisch gewesen: »Ich lasse das mit dem Stillen, wenn diese Monster nur wieder kleiner werden und sich nicht mehr anfühlen wie mit Sirup gefüllte Luftballons kurz vorm Platzen.«
    Aber ich habe das Thema Stillen nicht eine Sekunde in Frage gestellt, weil für die ganze Welt klar war: Neugeborene werden mindestens ein halbes Jahr gestillt. Alle haben das gemacht. Alle fanden es das Beste fürs Kind.
    Dabei hat es anfangs überhaupt nicht geklappt. Mein Sohn wollte einfach nicht. Der Höhepunkt dieser krampfhaften Versuche, ihn an die Brust zu kriegen, spielte sich noch im Krankenhaus ab. Eine Stillberaterin mit sehr haarigen Armen wollte mein Kind ums Verrecken dazu bringen, aus meiner Brust zu trinken. Dabei achtete sie weder darauf, dass es ausflippte und wie am Spieß brüllte, sie es ständig auf meine Kaiserschnittnarbe drückte und ich nur noch dasaß und versuchte, nicht vor Schmerzen und Verzweiflung zu heulen. Ich habe mich so unmündig und fremdbestimmt gefühlt. Schließlich hatte gerade eine wildfremde Frau meine Brüste gepackt und versucht, sie meinem schreienden Baby in den Mund zu stopfen. Niemanden interessierte, ob ich oder mein Kind das überhaupt wollten. Ich wurde nicht einmal gefragt. Zum Glück ging mein Mann dazwischen und brach den Versuch ab. Mir wurde gesagt, dass ich Milch abpumpen und das Kind damit füttern soll, bis es mit dem Stillen klappt. Und das war dann auch schon der nächste erniedrigende Moment. In einem für alle frei zugänglichen Zimmer standen die Milchpumpen wie Melkmaschinen und saugten in rhythmischen Intervallen Nahrung für das Kind aus mir heraus. Gut daran war, dass der Mann so das Füttern übernehmen konnte. Schlecht war, dass ich mich wie eine Kuh beim Melken fühlte, nur mit dem Unterschied, dass ich schon mal eine Intim- und Privatsphäre hatte. Als wir wieder zu Hause waren, klappte es zwar mit dem Stillen, aber richtig glücklich hat mich das nicht gemacht. Mein Sohn trank alle drei Stunden für mindestens eine Dreiviertelstunde. Zwischendurch habe ich am Tag eine Mahlzeit abgepumpt, damit mein Mann eine Nachtmahlzeit füttern konnte. Das bedeutet, ich habe jeden Tag um die sieben Stunden gestillt und abgepumpt. Und weil ich leider nicht zu den selbstbewusstesten aller Mütter gehöre, habe ich nur im äußersten Notfall meine nackten, monströsen Brüste der Öffentlichkeit präsentiert, auch weil der gesamte Stillprozess ja immer eine ganze Stunde dauerte und mein Sohn immer genau in dem Moment, in dem meine nackten Brüste rausguckten, wie am Spieß zu schreien begann. Ich verbrachte also das erste halbe Jahr mit Kind überwiegend im Dunstkreis unserer Wohnung, damit ich schnell zum Stillen nach Hause konnte.
    Deshalb: Nein, ich fand es nicht praktisch, seine Mahlzeiten immer dabeizuhaben. Zumal ich sie nicht wie ein Fläschchen einfach ins Regal zurückstellen
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