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Muttergefuehle

Muttergefuehle

Titel: Muttergefuehle
Autoren: Rike Drust
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wollte am liebsten im Stehen schlafen, weil dieser Moment nie mehr aufhören sollte. Tat er natürlich doch, weil irgendwann meine Arme schwer und meine Augen müde wurden. Aber eines blieb: Ab dieser Nacht hatte ich keine Angst mehr vor der Verantwortung für sein kleines Menschenleben, sondern ich war überglücklich und dankbar dafür, dass ich seine Mutter war. Ich bin stolz, wenn er inmitten von anderen Menschen auf mich zeigt und »Mama« sagt, als wollte er klarstellen: »Keine Chance, Leute, die ist schon weg.« Und ich bin stolz, wenn der Tagesvater mich anruft, weil es dem Sohn nicht gut geht und ich kommen muss (auch wenn es nervt). Und ich bin stolz, wenn er mit einem anderen Kind streitet und zu mir guckt, damit ich ihm das Spielzeug zurückhole (auch wenn ich es nicht mache). Ich bin die, die seine kleine Welt wieder in Ordnung bringen kann und alles wieder gut macht.
    Natürlich glaube ich nicht, dass nur eine Mutter das kann und muss, denn an den Mann hat unser Sohn zu Recht die gleichen Erwartungen. Und andere können das ebenfalls erledigen. Sollten sie auch, schließlich brauchen wir Mütter mal eine Pause.
    Was mache ich mit dieser Freude:
    • Ich freue mich. Manchmal grinse ich debil, und manchmal weine ich. Parallel brennen sich die »Ich bin die Mama«-Ereignisse für immer in mein Hirn.
    • In Situationen, in denen er mich sehr nervt, rufe ich mir seinen Seufzer zurück ins Gedächtnis. Dann ist er nicht mehr so sehr der Quälgeist, sondern eher das Menschlein, das ohne mich ziemlich aufgeschmissen ist.
    »Ich bin Hausfrau und Mutter.« – »Ach so.«
    Die Betroffenheit, zu den langweiligsten Menschen der Welt zu gehören.
    Ich war mal cool. Als ich weder Mann noch Kind hatte, haben meine beste Freundin und ich so viel gefeiert, dass wir mindestens einen Arbeitsplatz in der »Becks«-Brauerei gesichert haben. Andere fanden uns ausgeflippt und witzig und haben unsere Gesellschaft gesucht. Jetzt habe ich ein Kind und fühle mich in die Schublade der langweiligsten Menschen der Welt gedrückt.
    Als ich in Elternzeit war, wurde mir bei der Frage »Und? Was machst du so?« heiß und kalt. »Hausfrau und Mutter« wäre die korrekte Antwort gewesen, aber da hätte ich auch gleich sagen können, ich presse Blumen und lerne Zugstrecken auswendig. »Ich leite ein erfolgreiches Familienunternehmen«, soll zwar in der Werbung pfiffig und selbstbewusst rüberkommen, schreit aber in der Realität aus jedem Buchstaben » ICH HABE KOMPLEXE, WEIL ICH MIT DEM KIND ZU HAUSE BIN «. Das war die peinlichste Antwort von allen, fand ich. Aber meine Antwort war eigentlich noch viel peinlicher, ich sagte nämlich: »Ich bin ›nur‹ Mutter« (wobei ich die Gänsefüßchen tatsächlich mit den Fingern in die Luft malte). Und bevor mein Gegenüber Angst bekam, dass ich jetzt von Windelgrößen und Beikost anfange, habe ich das Kinderthema übersprungen und gleich die hippe Mutter raushängen lassen, die noch voll drin ist im Leben und Bescheid weiß über alles, was so passiert. Das wusste ich aber auch nur, weil mein Sohn beim Stillen so lange gebraucht hat, dass ich mir in der Zeit aus dem Internet alle Infos geholt hatte, die für ein cooles Gespräch nötig waren.
    Natürlich habe ich nicht nur deswegen Nachrichten geguckt, Magazine und Blogs gelesen. Ich interessiere mich nämlich wirklich für Dinge, die nicht mit meinem Kind zu tun haben. Aber trotzdem waren diese Gespräche meistens ziemlich krampfig, weil ich genau jenes Thema umsegelt habe, das mich emotional und zeitlich am meisten beschäftigte – meinen Sohn. Irgendwann hat mich das genervt. Denn ich wollte erzählen, wie verliebt ich in ihn bin, wie sehr die Mutterschaft an die Substanz geht, und ich wollte, verdammt noch mal, das Video von ihm zeigen, wie er mit seiner kleinen Ukulele auf dem Balkon steht und pöbelt. Weil es so niedlich ist, dass ich vor Verzückung hüpfen muss. Außerdem langweile ich mir bei den Geschichten von Meetings und Greetings auch gern mal die Beine ab. Es ist ja nicht so, dass es spannender wäre zu hören, wie der Senior Account Head of Großraumbüro zwei Tage Aufschub für die Überweisung der Produktionskosten herausgehandelt hat. Mit meinen besten Freunden haben wir deshalb vereinbart, dass wir uns sofort sagen, wenn uns das Gespräch über ein Thema zu viel wird. So können sie rufen: Laaangweilig!, wenn ich dabei bin, alle Worte aufzuzählen, die mein Sohn schon sprechen kann, und ich bitte um Gnade, wenn sie
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