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Mutter, wann stirbst du endlich?: Wenn die Pflege der kranken Eltern zur Zerreißprobe wird (German Edition)

Mutter, wann stirbst du endlich?: Wenn die Pflege der kranken Eltern zur Zerreißprobe wird (German Edition)

Titel: Mutter, wann stirbst du endlich?: Wenn die Pflege der kranken Eltern zur Zerreißprobe wird (German Edition)
Autoren: Martina Rosenberg
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selbst nicht mehr verstehen kann. Verdammt! Ich habe doch darauf gewartet. Was ist nur los mit mir?
    Mein Vater sitzt am Esszimmertisch und ist kaum ansprechbar. Ganz offensichtlich will er nicht sehen, was sich neben ihm abspielt. Meine Mutter liegt in ihrem Pflegebett, das seit geraumer Zeit im Wohnzimmer steht, und atmet schwer. Es ist kaum zu übersehen, dass es ihr sehr schlecht geht.
    »Hallo!«, sage ich kurz.
    Mein Vater reagiert kaum, sondern murmelt nur etwas, das sich wie ein Servus anhört. Er sitzt da und stiert auf den Tisch.
    Ich eile ans Bett meiner Mutter, nehme ihre Hand und streichle sie. Mein Gott! Wie sie aussieht! Wie konnte es nur so weit kommen? Von ihr ist nichts mehr übrig geblieben. Der Unterkiefer ist nach hinten gefallen, ihre Augen liegen tief in den Höhlen, und der Atem rasselt hörbar.
    »Was ist denn passiert?«, frage ich die Pflegerin.
    »Sie hat heute hohes Fieber, und mit ihrer Lunge stimmt was nicht«, meint sie. »Wir müssen den Arzt holen.«
    Kurz darauf kommen auch meine beiden Brüder, die ebenfalls angerufen wurden. Da stehen wir nun alle um das Bett unserer Mutter herum versammelt. Schnell werden wir uns einig, dass wir den Hausarzt anrufen und nicht den Notarzt. Der würde sie mit Sicherheit ins Krankenhaus bringen. Das kommt für uns nicht infrage. Darin sind wir uns einig.
    Unsere Mutter soll nicht noch mehr leiden. Lange genug haben wir dabei zusehen müssen. Zu oft hat sie nach Erlösung gefragt. Fragen wie »Warum lasst ihr mich nicht sterben?«, die dann später nur noch mit ihren flehenden Blicken wiederholt werden konnten, kamen ständig. Wir konnten ihr den Wunsch nicht erfüllen, aber jetzt wollen wir ihr helfen. So rufen wir den Hausarzt an. In der Zwischenzeit äußert Inga verschiedene Vermutungen, an was die Mutter leiden könnte.
    »Eins ist klar«, wage ich zu sagen. »Gibt es eine Chance für Mutter zu sterben, dann werden wir ihr den Wunsch erfüllen!«
    Ich bin entschlossen, mich dafür starkzumachen. Dennoch traue ich mich nicht, es vor unserem Vater auszusprechen. Viel zu tief sitzt seine Trauer um seine Frau. Die Angst vor dem Verlust lässt ihn nicht klar denken.
    »Wir warten ab, was der Arzt sagt«, kontert mein Bruder.
    Innerlich balle ich die Fäuste. Ich erwidere nichts, sondern entschließe mich, erst einmal abzuwarten.
    Endlich kommt der Hausarzt, mit seinem Arztkoffer in der Hand betritt er das Zimmer. Nach einer intensiven Untersuchung teilt er uns seine Diagnose mit: Lungenentzündung.
    Ich sehe eine Chance für unsere Mutter und konfrontiere den Arzt mit ihrem Wunsch, endlich sterben zu dürfen.
    »Wie ist der Verlauf einer Lungenentzündung? Mutter will schon lange nicht mehr leben. Können wir sie nicht in Ruhe sterben lassen?«
    Während er den Puls unserer Mutter fühlt, blickt er prüfend zu uns. Sekunden später teilt er uns seinen Therapievorschlag mit: »Wir sollten ihr Antibiotika gegen die Lungenentzündung geben und Sauerstoff für das bessere Atmen.« Keine Antwort auf meine Frage.
    Ich hole tief Luft und entgegne fest entschlossen: »Sie kennen doch unsere Mutter seit Jahren. Halten Sie eine Therapie für sinnvoll? Glauben Sie, sie möchte weiterleben? Nennen Sie mir einen Grund!«
    Es fehlen ihm die Argumente, er hat keine überzeugende Antwort. Aber Arzt bleibt Arzt. Er sieht sich genötigt, uns schonungslos aufzuklären.
    »Ohne Therapie stirbt Ihre Mutter«, sagt er. »Wir wissen nicht, wie die Krankheit verläuft.«
    Lungenentzündungen führen bei alten, kranken Menschen meist zum Tode, das weiß ich auch. Aber wieso reden wir darüber, als läge hier ein völlig gesunder, junger Mensch? Kann er nicht unterscheiden?
    »Muss sie leiden?«, will ich vom Arzt wissen.
    »Na ja, wir können ihr Morphium geben, dann wird sie nicht viel mitbekommen. Die Lunge wird immer weniger funktionieren, und sie wird langsam ersticken.«
    Das ist ein Albtraum!, schreit es in meinem Kopf. Ich kann meine Mutter doch nicht ersticken lassen. Nein, das geht einfach nicht!
    Ich sehe meine Brüder an, die ebenfalls schockiert wirken. Vermutlich gehen ihnen die gleichen Gedanken durch den Kopf. Was tun wir hier? Sprechen wir hier vom Erstickungstod unserer Mutter? Wir müssen total verrückt sein.
    »Wir werden es trotzdem so machen«, höre ich mich sagen. »Ich bleibe bei ihr bis zum Schluss.«
    Habe ich überhaupt eine Ahnung, was da auf mich zukommt? Nein, sonst wäre ich bestimmt eingeknickt. Seit Jahren weiß ich, dass meine Mutter
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