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Mutter, wann stirbst du endlich?: Wenn die Pflege der kranken Eltern zur Zerreißprobe wird (German Edition)

Mutter, wann stirbst du endlich?: Wenn die Pflege der kranken Eltern zur Zerreißprobe wird (German Edition)

Titel: Mutter, wann stirbst du endlich?: Wenn die Pflege der kranken Eltern zur Zerreißprobe wird (German Edition)
Autoren: Martina Rosenberg
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ein.
    »Freilich weiß ich das noch«, antworte ich und muss lachen.
    Mein Vater lacht mit, denn wir beide denken an seine Ankunft auf Santorini. Er landete dort unerwartet – und nicht wie geplant auf Kreta. Ich hatte eine wunderbare Zeit mit ihm. Gemeinsam besuchten wir abends meine Lieblingstavernen, machten Ausflüge in die Berge oder er kam einfach mit zum Strand und sah mir beim Surfen zu.
    »Was war denn da so lustig?«, fragt meine Mutter erstaunt.
    »Ja, weißt du das nicht mehr?« Mein Vater wirkt verblüfft. Er sieht sie fragend an und kneift die Augen zusammen. »Auf Santorini mussten wir landen wegen Bombenalarm. Ich hab genau gesehen, wie unsere Maschine ans Ende des Rollfelds gefahren ist und dort gehalten hat. Kein Mensch weit und breit. Das Flugzeug hat sich nicht mehr bewegt. Es sah so aus, als ob sich alle Griechen am Flughafen versteckt hätten. Ich hab mich gefragt, wo die wohl alle sind.«
    Jens und ich hatten damals gelacht, bis uns die Tränen in den Augen standen. Bombenalarm, und das Flughafenpersonal nahm Reißaus! Das ist die Lieblingsgeschichte meines Vaters. Wenn er sie erzählt, macht er immer vor, wie die griechischen Angestellten geduckt am Flugzeug vorbeiliefen. Keiner kam auf die Idee, die Passagiere zu retten.
    Meine Mutter lacht nun herzlich mit, als höre sie das zum ersten Mal. »Davon hast du nie etwas erzählt«, sagt sie zu meinem Vater. Sie runzelt die Stirn und sieht ihn belustigt an.
    »Blödsinn. Wir haben doch letzten Sommer den ganzen Abend darüber gelacht. Die Fotos dazu hast du dir doch noch angesehen.« Er schüttelt den Kopf und sieht seine Frau ungläubig an.
    »Das war das erste Mal, dass du ohne deine Frau unterwegs warst, und schon bist du mitten in eine Katastrophe geraten«, sage ich zu ihm. »Was sind die Männer nur ohne ihre Frauen?«
    Ohne meine Mutter ist er normalerweise nie verreist. Der Urlaub bei uns war eine riesige Ausnahme. Das hat mich damals sehr stolz gemacht und ganz besonders gefreut. Wie fast alle Mädchen habe ich meinen Vater vergöttert. In meiner Kindheit hat er sich sehr rar gemacht, was dazu führte, dass ich mich über jede noch so kleine Aufmerksamkeit seinerseits freute.
    An diesem Abend kreisen meine Gedanken um die Beziehung meiner Eltern. Es hat sich nichts verändert in den letzten Jahren. Komisch, dass mir das nie aufgefallen ist. Meine Mutter hat immer Verständnis für die Launen der anderen. Meiner Meinung nach viel zu viel Verständnis für alles und jeden. Um die Männer in unserer Familie wird viel zu viel Aufhebens gemacht. Sie scheinen besondere Rechte zu besitzen: muffelig sein zu dürfen oder wortkarg, schlecht gelaunt und empfindlich. Meine Mutter hat immer für alles eine Ausrede. Die Palette der Ausreden kann sich sehen lassen: schlecht geschlafen, viel Arbeit, Erkältung im Anflug, zu viele Einladungen oder das ständig klingelnde Telefon.
    Ich selbst sah das schon sehr früh völlig anders, was mir öfter mal Ärger mit meinen beiden Brüdern oder mit meinem Vater einbrachte. Für mich stand damals schon fest: So wie meine Mutter werde ich nicht! Mit mir wird’s die Welt schwerer haben. Ich bevorzuge den direkten Weg der Kommunikation und sage öfter mal, was mir nicht gefällt. Eine Eigenschaft, die meinem Vater und mir später sehr zu schaffen machen sollte.
    Nach drei Monaten in Deutschland haben wir Gewissheit: Beruflich gesehen gibt es ein Problem.
    Auf Kreta hatten wir eine Personalvermittlungsagentur, die die Teams vor Ort betreute. Im Winter vor unserer Rückkehr nach Deutschland hatten wir ein spannendes Angebot von einem großen Klubhotel auf Kreta erhalten. Wir sollten die gesamte Crew mit rund zwanzig Mitarbeitern engagieren. Unsere Hauptaufgabe würde die Vermittlung, Betreuung und Ausbildung von Mitarbeitern im Bereich Sport und Entertainment sein.
    Die Anlage war uns gut bekannt und hatte einen sehr guten Ruf. Schwierig jedoch erschien es mir, dem Hotel zu erklären, dass wir mittlerweile nach Deutschland übergesiedelt waren und nicht mehr wie zuvor in Kreta lebten. Von Deutschland aus würden wir nur noch das Personal an die Hotels vermitteln können. Ob die Griechen das allerdings akzeptierten, wussten wir noch nicht.
    Heute haben wir Gewissheit: Die griechischen Hoteliers reagieren mit Ablehnung auf unser geändertes Konzept. Die Aufträge für die kommende Saison laufen schlecht, und ich fange an, mir Sorgen zu machen. Es ist mittlerweile Mitte Dezember, und wir haben noch keinen
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