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Mutter macht Geschichten

Titel: Mutter macht Geschichten
Autoren: Troy Una
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keine Zeit zu verlieren.«
    Die Ankündigung kam für Jill ebenso unerwartet wie für alle anderen. George legte seine Hand mit einer scheinbar liebevollen Geste auf ihre Schultern, aber der feste Druck seiner Finger befahl ihr, aufzustehen und mitzukommen.
    »O nein«, widersprach Fergus energisch, »es tut mir leid, aber Sie können die Dame nicht so einfach entführen! Und warum setzen Sie sich nicht auch wieder hin.« Diesmal nickte er George zu – auf eine nette, ein wenig herablassende Art. »Ich verspreche Ihnen, Sie werden es nicht bereuen, wenn Sie noch ein bißchen bleiben. Ich kann Ihnen im Moment zwar noch nichts Näheres sagen, aber es braut sich hier allerhand zusammen, und es wäre schade, wenn Sie nicht dabei wären, wenn die Bombe platzt.«
    Georges Griff auf Jills Schulter verstärkte sich. Dieser unverschämte Schlingel hatte seine Geduld schon viel zu lange auf die Probe gestellt. Jill schien zum Glück zu begreifen, daß er nicht gewillt war, sich das länger bieten zu lassen. Sie stand auf und ging – o nein, sie schritt von dannen! Nun, ihm sollte es recht sein, aber es war höchste Zeit, ihr mal seinen Standpunkt klarzumachen.
    In der Halle zischte sie ihn an wie eine kleine Furie.
    »Was bildest du dir eigentlich ein?«
    Wütend sah sie besonders hübsch aus, aber er durfte sich davon jetzt nicht ablenken lassen und schwach werden.
    »Wie gesagt, ich habe schon gepackt und deine wie meine Rechnung beglichen. Bitte, mach dich also so schnell wie möglich fertig, wir fahren in einer Viertelstunde von hier fort.«
    »Ach? Wirklich? Und ich kann dir nur sagen, daß du dich heute abend absolut unmöglich benommen hast, und wenn du denkst, daß es mir auch nur im Traum einfallen würde, von hier fortzufahren und Mammi im Stich …«
    »Deine Mutter«, zischte George durch die Zähne, »ist der Grund unserer plötzlichen Abreise. Nach der peinlichen Episode von heute abend bin ich nicht gewillt, auch nur noch das geringste mit dieser unmöglichen Frau zu tun zu haben, und ich werde auch zu verhindern wissen, daß meine zukünftige Frau je wieder in eine Skandalgeschichte verwickelt wird. Um es geradeheraus zu sagen: Wenn unsere Ehe ein Erfolg werden soll – und nach meiner Meinung besteht darüber gar kein Zweifel –, dann mußt du dich hier an Ort und Stelle entweder für mich oder für deine Mutter entscheiden.«
    Und dieses hoffnungslos mutterfixierte Mädchen warf doch tatsächlich ohne Zögern ihre glänzende Zukunft über Bord. Sie zog ihren Verlobungsring vom Finger, gab ihn zurück und sagte: »Das ist leicht, George, ich entscheide mich für Mammi.« Er verneigte sich korrekt: »Ich wünsche dir von ganzem Herzen das Beste für deine Zukunft, liebe Jill«, wandte sich ab und ging hinaus zu seinem Wagen. Im Augenblick schmerzte die Trennung sehr, aber später würde er froh darüber sein, daß er sich nicht an ein tippendes kleines Flittchen weggeworfen hatte. Seine Eltern waren die ganze Zeit über natürlich lieb und verständnisvoll gewesen, aber jetzt erinnerte er sich wieder an den einzigen kritischen Satz, den seine Mutter geäußert hatte: »Die Ausdrücke, die die liebe Jill manchmal gebraucht, sind in unseren Kreisen etwas ungebräuchlich, nicht wahr?« Er wußte, seine Eltern würden unendlich erleichtert sein, daß diese Mesalliance nun doch nicht zustande kam. Er verbannte männlich das bißchen Sehnsucht nach dem tippenden kleinen Flittchen aus seinem Herzen und fuhr zurück zu den eleganten Landhäusern der Grafschaft Sussex, wo passendere Ehegefährtinnen seiner harrten.
    »Kein schlechter Abgang!« ließ sich eine Stimme vernehmen, deren Besitzer ungesehen in der Hallentür einen strategisch günstigen Posten bezogen hatte. »Direkt nobel – mit beglichener Rechnung! Pech gehabt, armer Kerl«, fügte Fergus mitfühlend hinzu, »und er hat Ihnen nicht mal Zeit gelassen, das Geld zurückzuzahlen … das heißt, wenn Sie's ihm angeboten hätten.«
    Jill fühlte weder Trennungsschmerz noch Trauer über den Verlust ihrer glänzenden Zukunft, aber das würde natürlich noch kommen – sozusagen mit Spätzündung. Aber im Moment gab es wohl keinen heilsameren Balsam für ihr verwundetes Herz, als sich mit diesem unmöglichen Knaben in die Wolle zu kriegen. Es war wirklich zu unverschämt von ihm, sich heranzuschleichen und ein so privates Gespräch zu belauschen. Sie wandte sich wortlos ab und ging in die entfernteste Ecke der Halle, wo sie sich ungestört streiten
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