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Mutter macht Geschichten

Titel: Mutter macht Geschichten
Autoren: Troy Una
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einfangen lassen? Solche Frauen nannte man in Dooneen nette kleine Betthasen. Jedesmal wenn sie – als Frau Doktor McDermott – auch nur mit einem anderen Mann sprechen würde, hieße es unweigerlich, schaut euch das an, na, der arme Herr Doktor, Gott helfe ihm. Jetzt bündelt sie schon mit dem nächsten an. Elsie drückte verärgert noch fester auf das Gaspedal, der Wagen schoß nach vorn. Na und? Owen gehörte nicht zu den Männern, die sich von anderen in ihr Leben reinreden lassen, und wenn er liebt, dann liebt er – selbst wenn sich ganz Dooneen darüber den Mund fusselig redet. Nimm dich zusammen, Elsie Brown. Was ist mit deinem edlen Selbstopfer? Nein, du wirst jetzt nicht zurückfahren. Wenigstens nicht gleich. Du mußt weiterfahren, bis du mit dir selbst im reinen bist.
    Sie weinte ein bißchen und riß den Wagen von einem Grasstreifen herunter, wohin er sich verirrt hatte. Er kam ins Schleudern, fing sich aber glücklicherweise wieder. Cucullan, der neben ihr schlief, öffnete mißmutig ein Auge, aber nur kurz. Fahre weiter, bis es Tag wird, das ist das beste. Du mußt versuchen, jetzt eine Weile nicht mehr an das alles zu denken, weil du sonst völlig durchdrehst. Sie schien von der Hauptstraße abgekommen und auf einen schmalen Seitenweg geraten zu sein. Aber wenn man ohne Ziel fährt, ist eine Straße so gut wie die andere. Der Wagen streifte den Straßenrand, aber nur so leicht, daß Cucullan nicht mal aufwachte. Es war eine sehr einsame Gegend, kein Haus weit und breit. Der Weg wand und schlängelte sich, und die Grasnarbe in der Mitte bewies, daß er nur selten benutzt wurde. Der Mond stand rund und hell am Himmel – ein Mond für Liebespaare. Schade um die Verschwendung. Vielleicht lag irgendwo am Ende des Weges ein hübsches Dorf mit Strohdächern und rosenumrankten Türen und einer Schmiede. (Und dabei weißt du doch recht gut, nicht wahr, daß du gleich kehrtmachen wirst. Denn was immer auch die Leute klatschen mögen, für dich und ihn gibt es doch nur das eine: zusammenzusein.) Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute, fern von allen bösen Menschen in einem kleinen Märchendorf. Sie nahm eine scharfe Kurve auf der falschen Straßenseite, rechts und links standen hohe, von Sträuchern überwucherte Mauern. Elsie erwachte jäh aus ihrem Traum, aber zu spät. Zwei große Scheinwerfer blendeten ihre Augen. Sie trat auf die Bremse. Der Wagen rutschte über die Straße und prallte krachend seitlich in das entgegenkommende Auto.
    Sie blieb einen Augenblick wie betäubt sitzen, während der von seinem Sitz geschleuderte Cucullan sie vorwurfsvoll anbellte. Der Gedanke, daß ihre Familie in einer Sache doch wohl recht hatte, schoß ihr durch den Kopf. Vielleicht war sie wirklich keine sehr gute Fahrerin. Sie stieg aus, gefolgt vom empörten Cucullan. Der Besitzer des anderen Wagens stand schon auf der Straße. Seine Scheinwerfer waren kaputt, während ihre wie durch ein Wunder ganz geblieben waren. Jetzt erst sah Elsie, was sie angerichtet hatte. Der Kühler des anderen, funkelnagelneuen Autos war eingebeult; beide Wagen waren untrennbar ineinandergerammt, der ihre blockierte die Straße vollständig. Es war so furchtbar, daß sie gar nicht wußte, wie sie sich überhaupt entschuldigen könnte. Der Mann sah aus, als ob er sie ermorden wollte – begreiflicherweise. Aber er mußte ein sehr gütiger Mensch sein, denn er sagte kein Wort, sondern versuchte nur mit aller Kraft, die Wagen zu trennen. Elsie murmelte Entschuldigungen vor sich hin, die aber wegen Cucullans wütendem Gebell nicht zu hören waren. Sie bot ihre Hilfe an, obwohl sie wußte, daß das nutzlos war, aber sie zeigte damit wenigstens ihren guten Willen. Es wäre besser gewesen, sie hätte es nicht getan, denn jetzt riß sich der arme Mann auch noch durch ihre Schuld das Schienbein an einem ausgezackten Stück Chrom auf. Das brachte ihn zum Sprechen, das heißt zum Fluchen. Die Worte klangen allerdings alles andere als irisch, doch ein Fluch ist in keiner Sprache mißzuverstehen.
    Die Stimme kam ihr vertraut vor; sie sah sich den Mann genauer an und – o Schreck – das Gesicht kannte sie doch! Der Wikinger-Vollbart war zwar abrasiert und das goldrötliche Haar dunkel gefärbt, aber die hohe Stirn, die hellblauen Augen mit dem kleinen Fleck und die stattliche Figur waren unverwechselbar. In dieser schrecklichen Nacht blieb ihr wirklich nichts erspart. Millionen von Menschen leben in Irland, aber sie mußte
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