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Mutter des Monats

Mutter des Monats

Titel: Mutter des Monats
Autoren: Gill Hornby
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unvermittelt.
    »Tja. Hmm.« Wie Rachel solche Unterhaltungen verabscheute. Zutiefst verabscheute. Als sie die Trennung vor ihren Bekannten hatte eingestehen müssen, wäre sie am liebsten im Erdboden versunken. Das Schlimmste war, dass alle mit ihr darüber reden, jedes Detail ausschlachten, das Problem von allen Seiten beleuchten wollten. In letzter Zeit hatte man sie zu unzähligen tiefschürfenden Unterhaltungen genötigt, und jede einzelne davon war quälend und demütigend gewesen.
    »Tja, also«, setzte Joanna an.
    Rachel bereitete sich auf das vor, was als Nächstes kommen würde.
    »Der war schon immer ein Arsch.«
    Sie wartete.
    Doch mehr kam nicht. Joanna stapfte bereits in Richtung Schule davon. Damit war das Thema für sie abgehakt. Als sie ihr durch das Schultor folgte, ertappte sich Rachel bei einem Lächeln. Joanna hatte die Angelegenheit mit angemessenem Respekt und nötigem Tiefgang behandelt. Rachel ging es tatsächlich ein klein wenig besser.
    »Bisschen frisch heute. Brr.« Heather watschelte neben ihnen her.
    »Findest du?« Davon hatte Rachel nichts gemerkt. Sie hatte den ganzen Tag gearbeitet, rotiert, und war zum ersten Mal draußen. »Wie lief es neulich Abend? Bei der Versammlung?«
    »Zum Kotzen«, murrte Georgina.
    »Der schlimmste Abend meines Lebens«, fügte Joanna hinzu.
    »Also mir hat es richtig Spaß gemacht«, schwärmte Heather. »Alle waren so nett. Wisst ihr was? Ich darf den Kofferraum-Flohmarkt organisieren!«
    Rachel wusste nicht recht, wie sie darauf reagieren sollte. »Ähm … Glückwunsch!«
    »Danke.« Heathers Gesichtsausdruck ließ darauf schließen, dass es noch mehr gute Nachrichten gab.
    »Und«, sie hatte ganz rosige Wangen, »Bea hat mich gefragt, ob ich beim Frühsport mitmachen will.«
    Rachel versuchte es mit derselben Antwort: »Glückwunsch.« Die Formel schien auch diesmal zu funktionieren. Die Tür öffnete sich, eine Flut von Schulkindern schwappte auf den Schulhof und umspülte die Beine der Wartenden.
    Poppy schlang die Arme um Rachels Hüfte. Auch ihre Wangen waren rosig. »Der Rektor will dich sprechen, Mami. Aber ich habe nichts ausgefressen, ehrlich nicht!«
    Rachel bog um die Ecke und erreichte das Büro des Schulleiters genau in dem Moment, als eine andere Frau herauskam. Mit dem Wort »umwerfend« auf den Lippen schwebte sie auf Rachel zu, verdrehte die Augen und fuchtelte sich hektisch vor dem Gesicht herum, wohl, um eine Art sexuelles Entzücken kundzutun. Na bravo, dachte Rachel. Kaum haben wir einen Mann an der Schule, schon herrschen in St. Ambrose Zustände wie in »Shades of Grey«. Die muffige Schulsekretärin bedachte sie mit einem vernichtenden Blick und deutete mit dem Kopf in Richtung Tür.
    Rachel klopfte, dann trat sie ein.
    »Ah.« Der Rektor sah von seiner Tabelle auf. »Mrs Mason?«
    Fast hätte sie gemurmelt: »Ähm, da bin ich mir nicht sicher. Nachdem Mr Mason mich auf miese Art verlassen hat, weiß ich nicht, ob ich mich noch Mrs Mason nennen soll. Außerdem steht wohl schon eine zweite Mrs Mason in den Startlöchern.«
    Stattdessen sagte sie »Ja« und »Hallo«.
    Was hatte die gute Frau vorhin wohl eingeworfen? Mr Orchard war zwar ganz okay, aber keineswegs »umwerfend«. Vor ihr am Schreibtisch saß ein stinknormaler Typ mittleren Alters. Er trug einen stinknormalen Anzug, und sein Haar hatte die Farbe stinknormaler Mitteleuropäer – eine Art straßenköterblond.
    »Schön, dass Sie sich kurz Zeit nehmen.«
    Männer und ihre Haare waren ihr ein Rätsel. Bis zu ihrem 35. Lebensjahr hatten sie entweder gar keine mehr oder sie hatten alle die gleiche Farbe. Man stelle sich das bei Frauen vor. Bea ohne ihre honigblonden Strähnchen, Beas Freundinnen ohne ihre blassen – genau genommen eher gelblichen – Imitationen, Georgina ohne ihre gelegentlich eingeschobene kastanienbraune Tönung, Rachel ohne den typisch goldbraunen Schimmer ihres eigentlich roten Haars. Wir könnten uns überhaupt nicht auseinanderhalten. Wie schafften das diese Männer mit ihren grauen Standardanzügen und dem straßenköterblonden Haar? »Mit Poppy ist alles in Ordnung«, versicherte Mr Orchard. »Da brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen.«
    Wenn der wüsste! »Da bin ich aber erleichtert«, sagte Rachel. »Ich hatte mich schon gefragt, warum …«
    »Ja, natürlich. Ich hatte Sie eigentlich Anfang der Woche bei der Versammlung des Wohltätigkeitskomitees erwartet.«
    »Ach, das tut mir leid. Babysitter.« Gut gemacht, Rachel. Babysitter: sehr
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