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Mutter des Monats

Mutter des Monats

Titel: Mutter des Monats
Autoren: Gill Hornby
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nicht verschwenden, meinst du?«
    »Ge-nau!«
    »Was?« Sie trat einen Schritt vor und knallte mit einer hoffentlich finalen Geste die Kühlschranktür zu. »Bin ich etwa ein Schweineschnitzel?«
    »Rachel, Rachel.« Er legte die Hände um ihre Hüfte. »Du bist immer viel zu selbstkritisch …« Es klingelte. »Wer ist das denn noch zu dieser späten Stunde?«
    »Noch ein Bus, nehme ich an.« Sie löste sich aus seinem Griff und marschierte zur Tür. »Hoppla!« Durch das Fenster konnte sie eine blaue Jacke erkennen. »Stimmt sogar.« Sie öffnete die Tür einen Spalt. Tom Orchard drehte sich um und sah ihr tief in die Augen. Mit einem kleinen, klar denkenden Teil ihres Hirns registrierte sie, dass ihre Knie weich wurden und sie sich sehr bemühen musste stehen zu bleiben.
    »Hi.« Er trat einen Schritt vor und lehnte sich an den Türrahmen. Sie wich nicht zurück. Sein Gesicht war nah. Ganz nah. Mit dem Zeigefinger hob er ihr Kinn. Sie öffnete die Lippen. Da trat Chris in den Flur.
    »Was für ein Etablissement betreibst du hier eigentlich, Rachel?« Er klang recht gönnerhaft. »Wenn das so ist, sollte ich vielleicht wieder hier einz…« Seine Miene verfinsterte sich. »Hey!«
    Chris blickte über Rachels Schulter. Die drei standen nun auf engstem Raum beieinander, wie drei Teenager in einer Fotokabine.
    »Moment. Mal ganz langsam.« Chris trat auf Tom zu. »Sie sind doch der Rektor!«
    »Ich glaube, das weiß er selbst, Chris.« Rachel schubste ihn weg. »Aber danke, dass du uns daran erinnerst.«
    Doch Chris ließ sich nicht abwimmeln. »Das hast du dir wohl so gedacht, Sportsfreund. So was gehört sich nicht. Nicht für einen Rektor.« Er schüttelte den Kopf und stupste seinen Rivalen in den Brustkorb. Rachel duckte sich unter ihm hindurch und schnappte sich Handtasche und Schlüssel vom Regal über der Heizung. »Das hier, Freundchen, übersteigt dein Einkommen. So ein Benehmen gehört sich nicht für einen anständigen Schulleiter.« Chris’ Stimme war zu einem Brüllen angeschwollen. »Der britische Steuerzahler, die hart arbeitenden Familien in dieser anständigen, ehrlichen Stadt bezahlen Ihnen nicht Ihr überhöhtes Gehalt, damit Sie verheirateten Frauen nachsteigen …«
    Rachel nahm ihre Jacke vom Haken. »Ja, ja, erspare uns deine politischen Schimpftiraden.« Ihr Herz klopfte bis zum Hals. »Übrigens, Chris, ich bin nicht mehr verheiratet. Schon vergessen?«
    Sie trat aus der Tür, schob Tom von der Schwelle und drehte sich noch mal um. »Ach, und du hast recht. Mit dem Übernachten. Das solltest du tun. Die Kinder freuen sich bestimmt.«
    Bevor sie die Tür zuzog, steckte sie den Kopf noch kurz in den Spalt und rief: »Wir gehen dann mal. Bin morgen früh wieder da, okay?«
    Die Tür fiel ins Schloss.
    Tom und Rachel standen draußen in der warmen Nacht und sahen sich an.
    »Also. Ähm.« Sie kicherte verlegen.
    »Äh, hallo!« Tom hob die Hand. »Ich wollte dir nur die hier zurückbringen.« Er hielt eine Packung Buntstifte hoch. Ihre Lieblingsbuntstifte. »Du hast sie auf dem Tisch liegen lassen.«
    O nein, dachte sie. Nein, nein, nein. Das glaube ich jetzt nicht.
    »Du hast gesagt, sie seien dir wichtig. Sonst«, er zuckte mit den Schultern, »wäre ich natürlich nicht extra vorbeigekommen.«
    Sie hatte ihre Kinder wegen eines Typs zurückgelassen, der ihr Buntstifte zurückbringen wollte? Das war gar nicht ihr Bus. Und sie war trotzdem aufgesprungen. Meine Fresse, neben ihr war Colette ja eine Nonne.
    »Ich dachte, vielleicht brauchst du sie ja in der Früh.«
    Ihr war ganz flau. Ehrlich gesagt wäre sie am liebsten in Ohnmacht gefallen, dann hätte sie wenigstens nichts sagen müssen. Besser noch: Selbstmord. Sie sah sich im kahlen Vorgarten um – vielleicht gab’s hier eine stabile Tanne, oder besser noch eine Pappel?
    »Ich hoffe, es gibt jetzt keine – na ja – Komplikationen, nur weil ich bei dir aufgetaucht bin.«
    »Ähm …«
    »Ich meine, nichts läge mir ferner …«
    Sie sah ihn an. Er grinste .
    »Moment mal. Verstehe ich das richtig? Ist das ein praktisches Beispiel für den allseits gerühmten Humor des Rektors? Haben wir es hier etwa mit einem handfesten Rektorenscherz zu tun?«
    Er trat vor und schloss sie in die Arme. »Schön, dass er dir gefallen hat. Gehörte zu meinen besseren, finde ich auch.«
    »Das war NICHT WITZIG !« Seit einem Jahr hatte sie keiner mehr in den Arm genommen. Bei so viel plötzlicher Nähe wurde ihr Körper ganz weich. Doch sie brachte die
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