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Mut für zwei: Mit der Transsibirischen Eisenbahn in unsere neue Welt (German Edition)

Mut für zwei: Mit der Transsibirischen Eisenbahn in unsere neue Welt (German Edition)

Titel: Mut für zwei: Mit der Transsibirischen Eisenbahn in unsere neue Welt (German Edition)
Autoren: Julia Malchow
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kuscheliges Zuhause zu denken. Ich habe bei der Gestaltung des Hauses versucht, Teile der Welt darin abzubilden und mich so zur seriellen Sesshaftigkeit zu überlisten. Außerdem ist das Haus ein Lebensprojekt: nie fertig. Immer verändert sich was. Ich mag es, wenn die Dinge nicht fertig sind. Ich glaube daran, dass die Räume und Landschaften, die mich umgeben, mein Denken und Fühlen beeinflussen. Deswegen muss ich reisen. Stillstand ist für mich das Schlimmste. Warum hatte ich dann nur einen Moment daran geglaubt, dass sich das mit Levi ändern sollte? Müsste? Warum hatte ich einen Moment lang befürchtet, für Levi sesshaft werden zu müssen? Ein geregelteres Leben als bisher aufnehmen zu müssen? Niemand kann das von mir verlangen. Und die Reise zeigt mir jeden Tag mehr, dass Levi das schon gar nicht von mir verlangt. Im Gegenteil.
    Zum Glück leben wir in einer Gesellschaft, in der die soziale und politische Kontrolle des Lebens bei Weitem nicht so ausgeprägt ist wie in China. Und weitere Kontrollinstanzen gibt es zum Glück nicht. Oder? Zum Glück leben wir in einem Land, in dem jeder seinen eigenen Lebensstil zelebrieren kann.
    Leben wir doch?
    Geht Reisen mit Baby auch auf Chinesisch?
    »Was kann ich hier unternehmen?«, frage ich die Rezeptionistin in der Hoffnung auf spannende Erkundungswanderungen in die Umgebung.
    »Tennis spielen?«, antwortet diese.
    Gut, dafür ist Levi noch ein bisschen zu langsam auf den Beinen. Meine chinesischen Mitbewohner sind heute Morgen zu einer Mountainbiketour aufgebrochen. Ohne Levi würde ich mich in die Sonne legen, ein Buch lesen und eine Massage buchen. Aber die letzten Tage unserer ersten großen Reise möchte ich mit Levi verbringen.
    »Wo beginnt der Pfad zum unrenovierten Teil der Großen Mauer?«, starte ich einen weiteren Versuch.
    »Das ist viel zu gefährlich mit Baby!« Mit Entsetzen im Gesicht schüttelt die nette Dame ihren Kopf, wie es nur Asiatinnen können.
    »Warum?«, frage ich.
    Die Dame schüttelt erneut ihren Kopf.
    Spannend. Ohne Anregungen im Gepäck und mit dem Plan, heute unbedingt noch zum unrenovierten Teil der Mauer aufzusteigen, setzen Levi und ich uns auf eine nicht wegen Renovierung gesperrte Terrasse. Nach den Abenteuern der letzten Wochen und Monate tun ein bisschen Nichtstun, Sackenlassen, In-mich-Hineinspüren und Teetrinken sicher gut. Zum Glück bietet die Terrasse genug Abenteuer für den nie müden Levi: Er erkrabbelt sich in aller Gemütlichkeit die verschiedenen Blumenbeete. Es duftet nach Lavendel mit einer Prise Zitronengras.
    Als Levi gefährlich nah an eine Treppe herankrabbelt und ich gerade dabei bin aufzustehen, geht eine Tür auf. Eine junge Chinesin läuft zu Levi, hebt ihn auf ihren Arm und begleitet ihn fortan auf seiner Tour durch den chinesischen Garten mit südfranzösischer Note. Entspannt lehne ich mich zurück, schließe die Augen und genieße den kühlen Wind. Es ist wirklich erstaunlich, dass, egal wo ich mit Levi auftauche, sich immer jemand findet, der Lust hat, sich um ihn zu kümmern. Und dass Levi meistens auch Lust darauf hat. Olga, Sergei, Natascha, Nadia, Alicer, Bonita, Frederic und jetzt Stella: die Kellnerin, die mich gestern Abend vor dem Verhungern bewahrt hat. Oder zumindest vor dem Schnorren.
    Warum ist das in München nicht auch so? Also: Natürlich spielen meine Freunde mit Levi. Aber Fremde? Oder lasse ich das einfach nicht zu?
    »Wie viele Kinder hast du?«, fragt Stella, als sie nach einer halben Stunde die Gartenführung beendet.
    »Bisher eines!«, antworte ich.
    Stella nickt verständnisvoll. »In China haben viele Paare auch nur ein Kind«, sagt sie. Und fügt hinzu: »Einige Menschen hätten gerne mehrere!«
    »Wie viele Kinder möchtest du, Stella?«, frage ich.
    »Eins, zwei oder keines!«, antwortet sie kichernd.
    Stella bringt uns Tee und sagt dann: »In China leben die Menschen sehr für ihre Kinder. Und ich möchte doch so gerne reisen! Außerdem sind chinesische Männer sehr verwöhnt. Von ihren Müttern. Die Männer erwarten dann von ihren Frauen, dass das so weitergeht!«
    Ich nicke verständnisvoll. »Der Mann muss schon zu den eigenen Vorstellungen vom Leben passen. Sonst wird es schwierig«, versuche ich die junge Frau in ihren Vorstellungen vom Leben zu bestärken.
    »Ist es schwierig, mit Kind zu reisen?«, fragt Stella und schaut mir erwartungsvoll in die Augen. Obwohl Stella Chinesin ist und viel jünger als ich: In diesem Punkt kann ich, denke ich, trotz aller
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