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Mut für zwei: Mit der Transsibirischen Eisenbahn in unsere neue Welt (German Edition)

Mut für zwei: Mit der Transsibirischen Eisenbahn in unsere neue Welt (German Edition)

Titel: Mut für zwei: Mit der Transsibirischen Eisenbahn in unsere neue Welt (German Edition)
Autoren: Julia Malchow
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verschmelzen zu einer beeindruckenden Gemütlichkeit. In Südfrankreich oder im bergigen Hinterland von Los Angeles würde ich diese Architektursiedlung eher verorten. Zumindest den Teil, den ich bisher sehen konnte.
    Ich entscheide mich für James Bond gepaart mit chinesischem Familienleben.
    Zwei Einbrüche an einem Tag
    Beim ersten Mal konnte ich noch vorbeigehen. Mit verlangsamtem Schritt und verrenktem Hals. Beim zweiten Mal verführt es mich. Als ich zum zweiten Mal auf dieses Luftschloss aus goldschimmerndem Bambus zulaufe, kann ich einfach nicht anders: Ich steige mit Levi in der Babytrage über den verriegelten Bambuszaun des wegen Renovierungsarbeiten geschlossenen Hauses und setze mich auf die mit weißen Kieseln gefasste Terrasse. Böden, Decken, Wände, alles ist aus mal enger, mal weiter voneinander entfernt aufgereihten Bambusstämmen. Levi ist begeistert und testet, durch welche Zwischenräume er seinen kleinen Körper hindurchquetschen kann und wo er stecken bleibt. Die Möbel im Inneren sind mit weißen Tüchern verdeckt. Ich hole ein Babyglas, Wasser und einen Apfel aus meinem Rucksack, bereite uns auf dem Glasterrassentisch ein kleines Picknick und fühle mich wie auf einem anderen Planeten. Das Schattenspiel aus Wolken, Blättern und Bambus entspannt und unterhält. Immer mal wieder laufen Hotelangestellte vorbei, tuscheln und zeigen mit ausgestrecktem Arm in unsere Richtung, aber niemand spricht uns an oder macht sonstige Anstalten, uns aus dieser temporär geschlossenen Architekturausstellung hinauszuwerfen. Also lehne ich mich zurück, genieße das Funkeln des Lichtes in meinem Gesicht und das ruhige Atmen meines mittagsschlafenden Sohnes.
    Es ist schon dunkel, als Levi und ich zurück zu unserem James-Bond-Haus kommen. In meinen Händen trage ich zwei große braune Papiertüten voller dampfender Köstlichkeiten aus dem chinesischen Restaurant des Commune .
    »Take away not possible« , hatte mir der Kellner des Restaurants bedauernd mitgeteilt. Meine freundlich vorgetragene Erklärung, dass Levi zu müde sei, um im Restaurant zu essen, und ich leider hungrig, konterte er mit einem Achselzucken. Ich erinnerte mich an die Tütennudeln in unserer James-Bond-Küche und dass ich wohl besser das Kleingedruckte auf der Homepage des Commune gelesen hätte: Housesharing und Selfcatering . Mit dem Vorsatz, mich bei meinen chinesischen Mitbewohnern zum Abendessen einzuladen, trottete ich mit Levi gen Ausgang des schicken Restaurants.
    »Miss Julia« , hörte ich eine zarte, aber bestimmte Stimme hinter mir. Eine junge Kellnerin fragte besorgt, warum wir nicht zu Abend essen wollten. »What do you want for dinner?« , fragte sie.
    Da Dumplings das Einzige waren, an das ich mich erinnern konnte, sagte ich: »Dumplings!«
    »Which ones?«
    »I try all of them!« In meiner Erinnerung gab es drei verschiedene Arten von gefüllten Dumplings auf der Karte.
    Diese Erinnerung war falsch. Wenig später stand die Kellnerin mit den zwei schweren warm duftenden Tüten vor mir und wünschte uns einen schönen Abend. Irgendwie sind es immer die Frauen, die uns helfen. Überall auf der Welt scheint es Frauen zu geben, die nur darauf warten, reisenden Frauen zur Seite zu stehen. Reisenden Frauen mit Baby. Und in dem Moment beschloss ich, auch zu einer derartigen Frau zu werden: Natürlich helfe ich generell, aber ich werde speziell nach reisenden Frauen in meinen bekannten Bahnen Ausschau halten. Ich muss an die etwas dickliche Dame im Blümchenkleid und mit armenischen Gesichtszügen denken, die kurz vor meiner Abreise verloren mit zwei kleinen Mädchen an einer Straßenecke im Münchner Glockenbachviertel stand. Sie kam auf mich zu und hielt mir einen Zettel unter die Nase. Mein erster Impuls war: Die will betteln und benutzt ihre Kinder dafür. Schnell weg. Doch dann blieb ich stehen. Schaute auf den Zettel. Die Dame erklärte in einem Vielsprachengemisch, dass ich bitte die Telefonnummer auf dem Zettel anrufen sollte. Was ich tat. Es meldete sich eine junge Frau, die auf die Dame wartete. Die junge Frau sagte mir die Adresse, und ich begleitete die Dame im Blümchenkleid und Kopftuch bis vor die Haustür und spielte dabei mit den Zwillingsmädchen. Die Dame bedankte sich immer und immer wieder. Ich schämte mich für meinen ersten Impuls und war glücklich. Helfen ist so einfach. Man muss nur offen sein, seiner eigenen Erwartung nicht zu trauen.
    Als ich mit Levi in der Babytrage und den zwei prall gefüllten
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