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Mut für zwei: Mit der Transsibirischen Eisenbahn in unsere neue Welt (German Edition)

Mut für zwei: Mit der Transsibirischen Eisenbahn in unsere neue Welt (German Edition)

Titel: Mut für zwei: Mit der Transsibirischen Eisenbahn in unsere neue Welt (German Edition)
Autoren: Julia Malchow
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durch das Reisen und die Begegnungen mit anderskulturellen Menschen neue Gedanken oft erst möglich machen. Dass das Eintauchen in anderskulturelle Verhaltensweisen nicht nur für die Reise relevant ist, sondern dein Leben zu Hause verändert. Dass das Wissen um eine unterschiedliche Sicht auf dasselbe Objekt dabei helfen kann, eingefahrene Denkmuster loszulassen. Raum für neue Ideen jenseits von Variationen des schon Bekannten schafft. Die Relativität der eigenen Perspektive, des eigenen Wissens. So in die Richtung. Am besten anhand von Beispielen. Wenn mein Team einen Menschen sieht, der so konsequent wie du – sogar mit Baby – diese Philosophie lebt, vielleicht bewegt sich dann was?«
    »Wie viele Frauen sind in deinem Team?«, frage ich.
    »Keine, wieso?«
    »Eine Bedingung!«, sage ich.
    »Du machst es? Super!«
    »Ich bringe Levi mit, und wenn er Betreuung braucht, hilfst du mir!«
    »Abgemacht. In zwei Stunden steht mein Fahrer vor dem Hotel!«
    Auf der einen Seite ist es ein Hotel, auf der anderen Seite eine Kunstausstellung, weiß das Internet. Denn auf dem Gelände des Commune by the Great Wall stehen Werke von zwölf zeitgenössischen chinesischen Architekten. Die Villen mit Namen Kofferhaus, Flughafen, Die Zwillinge oder Waldhaus wurden 2002 bei der Biennale in Venedig ausgestellt und preisgekrönt. Heute kann man sie einfach nur anschauen oder gleich darin übernachten. Vom Hotel führt ein Privatweg zur Chinesischen Mauer.
    Kunst zum Darinleben, denke ich. Klingt perfekt. Mein telefonischer Buchungsversuch scheitert an fehlenden Englischkenntnissen auf der anderen Seite der Leitung beziehungsweise an den nicht vorhandenen Kenntnissen des Chinesischen auf meiner. Also überlasse ich das den freundlichen Mitarbeitern des Opposite House und halte zehn Minuten später einen Ausdruck der Bestätigungs-E-Mail in meiner Hand. Dann hüpfe ich vor Levis Mittagsschlaf noch auf ein paar Minuten in den Replica Market, um mir ein adäquates Businessoutfit zusammenzustellen: Für 50 Dollar gibt es ein Kleid von Prada und hohe Schuhe von Miu Miu. Die passende Tasche habe ich glücklicherweise ja gestern schon erstanden.
    »Ich mache diese Reise, weil ich auf der Suche bin«, beginne ich. »Auf der Suche nach einer Idee.«
    Meine chinesischen Zuhörer sitzen steif mit den Händen auf dem Tisch und für mich nicht lesbarem Gesichtsausdruck vor mir, während die zu den westlichen Ohren gehörenden Körper sich extrem lässig nach hinten lehnen und einen Hauch zu süffisant lächeln. Diesen Typus kenne ich. Junge Berater, die meinen, sie wüssten schon alles. Von diesem Gefühl bin ich gerade meilenweit entfernt. Neben Frederic, Levi und mir sind noch 25 weitere Menschen im Raum.
    »So mache ich es immer«, fahre ich fort. »Ich bin beispielsweise nach Bhutan gereist, um mich mit einer neuen Geschäftsidee auseinanderzusetzen.«
    »Hatte die Geschäftsidee was mit Bhutan zu tun?«, fragt einer der Chinesen.
    »Natürlich nicht!«, gebe ich zurück.
    Der Chinese schaut enttäuscht.
    In den kommenden dreißig Minuten berichte ich von unserer Mission. Ich erzähle von Juri und von der Kraft, die Reisen unseren Träumen geben kann. Ich erwecke Alicer in Peking zum Leben und spreche über die Relativität des eigenen Wissens. Ich skizziere meine Versuche, mir vorzustellen, wie Levi wohl unsere Reise erlebt, und die befreiende Wirkung für den eigenen Kopf, wenn man Glaubenssätze loslässt und wie ein Kind in die Welt zu blicken versucht. Ohne gedankliche Barrieren. Aber mit ganz viel Neugier und einem ausgeprägten Bauchgefühl. Egal, ob es sich um das private oder berufliche Leben handle.
    Der Großteil der westlichen Zuhörerschaft blickt neugierig auf die chinesischen Kollegen. Zwischen fünf westlichen Zuhörern, zwei Chinesen, Frederic und mir kommt eine Diskussion in Gang, die über eine Stunde dauert. Dann sitze ich Frederic im firmeneigenen Restaurant gegenüber.
    »Die zwei Chinesen, die mitdiskutiert haben, haben in Amerika studiert«, sagt Frederic. »Mit öffentlichen Diskussionen tun Chinesen sich schwer. Das Denken ist hier stark hierarchisch geprägt.«
    »Ich kann schon verstehen, dass es vordergründig einfacher ist, im Strom mitzuschwimmen. Insbesondere wenn der Strom so gewaltig ist wie in China«, gebe ich zurück. »Meine Erfahrung ist, dass der Mensch sich immer erst einmal selbst optimiert, bevor er an die Firma denkt. Ich halte es für wichtig, die Ziele der Mitarbeiter zu verstehen und sie mit
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