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Muße: Vom Glück des Nichtstuns (German Edition)

Muße: Vom Glück des Nichtstuns (German Edition)

Titel: Muße: Vom Glück des Nichtstuns (German Edition)
Autoren: Ulrich Schnabel
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»Opportunitätskosten« mit sich, wie die Psychologen sagen: Mit jeder Wahl muss man nämlich zwangsläufig auf alle anderen Alternativen verzichten. Und da uns Verluste in der Regel mehr schmerzen als Gewinne uns freuen, ist die Enttäuschung vorgezeichnet.
    Erstaunlicherweise ist es sogar so, dass uns eine Vielzahl an Optionen letztlich eher von einem Kauf abhält , als dass sie uns dazu motiviert! Das hat die indischstämmige Psychologin Sheena Iyengar in ihrem klassisch gewordenen Marmeladen-Experiment demonstriert 20 . In einem Luxusladen in den USA ließ sie einen Werbetisch aufbauen, der die Kunden zum Kauf verschiedener Marmeladengläser animieren sollte. Einmal wurden dabei 24 verschiedene Sorten d angeboten, das andere Mal nur karge 6. Preisfrage: An welchem Tisch wurde wohl mehr gekauft? Iyengars Experiment liefert eine deutliche Antwort: Die Kunden blieben zwar häufiger an dem Tisch mit der größeren Auswahl stehen; angesichts der 24 Marmeladensorten konnten sich aber nur drei Prozent der Testesser zu einem Kauf durchringen; an dem Tisch mit den 6 Sorten griffen dagegen dreißig Prozent der Kunden zu, also zehnmal so viele.
    Offenbar übte die größere Auswahl keine stimulierende, sondern eher eine demotivierende Wirkung aus. Die Überfülle des Angebots überforderte die potenziellen Käufer so sehr, dass sie sich am Ende für überhaupt keine der offerierten Marmeladensorten entscheiden konnten. (Dass trotz solcher frustrierender Erfahrungen noch immer Super-, Hyper- und Megamärkte gebaut werden, liegt wohl daran, dass die Kaufhaus-Manager keine Zeit hatten, solche Ergebnisse der psychologischen Forschung zur Kenntnis zu nehmen.) Ähnliche Versuche hat der Psychologe Barry Schwartz durchgeführt und immer wieder demonstriert: Je größer die Auswahl, umso mühsamer die Entscheidung und umso höher die Opportunitätskosten. Kaum haben wir die neue Digitalkamera gekauft, fällt uns prompt ein Sonderangebot ins Auge, das noch günstiger gewesen wäre. Kaum hat man sich für einen Plan zur Altersvorsorge entschieden, kommen einem Zweifel, ob der andere Rentenfonds nicht doch besser gewesen wäre. Schwartz hat nachgewiesen, dass die Bereitschaft zum Abschließen eines solchen Altersvorsorgevertrags umso mehr sinkt, je mehr unterschiedliche Varianten davon angeboten werden. 21
    Auch wenn uns die Werbung tagtäglich das Gegenteil einzureden versucht: Ein Mehr an Möglichkeiten befördert selten unser Glück, sondern es bereitet uns eher zusätzlichen Stress. (Oder ist jemand wirklich über das Dickicht der unzähligen verschiedenen Handytarife glücklich?) Vom »Paradox der Entscheidungsfindung« spricht Barry Schwartz in diesem Zusammenhang und fragt in seinen Vorträgen gern rhetorisch: »Warum war früher alles besser?« Antwort: »Weil früher alles schlechter war.« Denn in einer nicht perfekten Welt musste man sich mit Unzulänglichkeiten einfach abfinden und konnte sich darauf freuen, dass es vielleicht eines Tages besser würde. In der modernen Warenwelt, die für jedes noch so ausgefallene Bedürfnis das passende Produkt bereithält, gibt es dagegen keine Entschuldigung mehr für Mängel. Wer sich heutzutage nicht glücklich fühlt, trägt gewissermaßen selbst die Schuld daran – eine Logik, die einen unerträglichen Druck erzeugt und leicht zu einem depressiven Gefühl der Ich-Erschöpfung führt. e
    Barry Schwartz ist daher überzeugt, dass der stete Zuwachs an Wohlstand die Menschen am Ende nicht glücklich, sondern eher unglücklich mache. Und ein Grund dafür, sagt Schwartz, sei die enorm gestiegene Wahlfreiheit in allen Bereichen des Lebens. Wer zwischen einer kaum zu überschauenden Zahl von Joghurtmarken, Versicherungen oder Fernsehkanälen wählen muss, gewinnt nicht an Freiheit – wie die Werbung suggeriert -, sondern erhöht seinen Stresspegel.

1. Die Droge Information
     
    Beginnen wir mit einem kleinen Selbsttest. Mal ehrlich:
    • Öffnen Sie morgens auf der Arbeit als Erstes Ihr elektronisches Postfach, bevor Sie etwas anderes tun?
    • Werden Sie unruhig, wenn Sie auf Ihre Mails oder SMS nicht innerhalb einer Stunde eine Antwort bekommen?
    • Haben Sie manchmal das Gefühl, Ihr Handy vibriere, obwohl niemand anruft?
    • Beantworten Sie eine E-Mail, in der sich jemand bedankt, wiederum mit einer Dankesmail?
    • Enthält Ihr elektronisches Postfach mehr als tausend Nachrichten?
    • Klicken Sie auf »Senden/Empfangen«, oder checken Sie Ihren Spam-Filter, nur um
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