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Muße: Vom Glück des Nichtstuns (German Edition)

Muße: Vom Glück des Nichtstuns (German Edition)

Titel: Muße: Vom Glück des Nichtstuns (German Edition)
Autoren: Ulrich Schnabel
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-Management sind Bestseller, Arbeitsprozesse werden genauso optimiert wie die alltäglichen Verrichtungen des Lebens, und ständig beglückt man uns mit neuen »Zeit-Spartechniken« wie Mikrowelle, Digitalkamera oder Speed-Dating, die das lästige Kochen, Knipsen oder Kennenlernen enorm beschleunigen und uns damit unendliche Zeitgewinne verheißen.
    Doch seltsam, trotz all dieser Anstrengungen geht es uns wie den Figuren in Michael Endes Kinderbuchklassiker Momo , die verwundert feststellen: Je mehr Zeit sie sparen, umso weniger haben sie. In Endes Geschichte sind dabei die Schuldigen leicht auszumachen: Es sind die »grauen Herren« von der »Zeit-Spar-Agentur«, die den Menschen ihre Zeit rauben, um selbst davon zu leben. Wer aber ist im wirklichen Leben für den Zeitnotstand verantwortlich? Wer oder was spielt die Rolle der »grauen Herren«? Und wo ist all die Zeit versteckt, die uns auf geheimnisvolle Weise abhanden gekommen zu sein scheint?
    Offenbar müssen wir uns nicht auf die Suche nach der verlorenen Zeit begeben (wie einst Marcel Proust), sondern vielmehr die Suche nach der gewonnenen Zeit in Angriff nehmen.

2. Die Missverständnisse um die Muße
     
    O ffenbar sind die üblichen Zeitspartechniken denkbar ungeeignet, uns zu mehr Muße zu verhelfen. Weder führt uns der technische Fortschritt in das ersehnte Paradies der Zeitüberfülle, noch macht uns eine bessere Arbeitsorganisation automatisch zu entspannten Müßiggängern. Die Ursachen für das Gefühl des Gehetztseins liegen tiefer, und der erste Schritt zu einem entspannteren Leben besteht darin, sich zunächst einmal mit diesen Ursachen und unseren (oft unbewusst wirkenden) psychologischen Mechanismen und Wertvorstellungen auseinanderzusetzen. Dabei gilt es, auch einige der populärsten Irrtümer über den Begriff der Muße auszuräumen.
    Das erste Missverständnis besteht zum Beispiel in jenem Glauben, den uns all die Simplify-your-life -Ratgeber und Zeitmanager suggerieren: dass es sich nämlich um ein individuelles Problem handele, das man durch eine entsprechende Verhaltensänderung ganz leicht lösen könne. In Wahrheit ist die Empfindung der Zeitnot längst kein persönliches Problem mehr, sondern ein kollektives. Wer von lauter gehetzten Menschen umgeben ist, kann sich dieser Atmosphäre nicht ohne Weiteres entziehen und zum gelassenen Flaneur werden. Deshalb leiden mitunter selbst jene Menschen unter Zeitnot, die darüber eigentlich bestens Bescheid wissen (der Autor bildet da leider keine Ausnahme). In einer Gesellschaft, die auf dem Grundprinzip der Beschleunigung basiert, ist es kaum möglich, »ganz entspannt im Hier und Jetzt« zu sein – auch wenn manche gerne so tun, als hätten sie dieses Ideal verwirklicht. Daher hilft es schon, sich nicht mit überzogenen Ansprüchen zu quälen. Manchmal ist das Leben eben hektisch – nicht weiter schlimm, solange die Hektik nicht zum Dauerzustand wird und man auch versteht, sich mußevolle Ruhephasen zu gönnen.
    Damit aber beginnt bei vielen das nächste Missverständnis: Es besteht in der Ansicht, zur Muße seien besondere Auszeiten nötig, die sich nur außerhalb des gewöhnlichen Alltags und mit hohem Aufwand verwirklichen ließen. Ein schönes Beispiel für diese Haltung lieferte das Nachrichtenmagazin Der Spiegel , das zur Ferienzeit im Sommer 2010 eine Ausgabe der »Kunst des Müßiggangs im digitalen Zeitalter« widmete. 14 Mit dem Vorsatz, ihren ständig nervenden E-Mails und dem bimmelndem iPhone endlich einmal zu entfliehen, begab sich Spiegel -Redakteurin Susanne Beyer auf die Suche nach der Muße. Doch wie meinte sie diese zu finden? Zunächst stieg sie dazu in den ICE, fuhr von Hamburg nach Berlin, quartierte sich dort in einem teuren Wellnesshotel ein und gönnte sich einen »Day Spa« inklusive eines eiligen Meditationskurses. Was für eine Hetze, was für ein Aufwand (von den Kosten gar nicht zu reden)! Dabei hätte die Autorin ihre Geräte auch einfach ausschalten und sich gemütlich auf ihren Balkon setzen können. Doch offenbar war man in der Redaktion der Meinung, Muße erfordere zunächst große Anstrengung.
    Gewöhnt an eine Konsumgesellschaft, die jedes Bedürfnis durch entsprechende Produkte befriedigt, wird eben oft auch die Muße als konsumierbares Gut betrachtet. Wer sich gestresst fühlt, bucht den Entspannungskurs, wer unter Zeitdruck leidet, kauft den Ratgeber zum Zeitmanagement, wer nicht mehr zum Musizieren kommt, gönnt sich neue CDs – als ob man sich mit
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