Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Muss ich denn schon wieder verreisen?

Muss ich denn schon wieder verreisen?

Titel: Muss ich denn schon wieder verreisen?
Autoren: Evelyn Sanders
Vom Netzwerk:
nicht laut genug war, wurde das ganze Spektakel musikalisch untermalt. »Stell den Ton leiser!«
    »Mach ich ja schon.« Er mußte jedoch den falschen Knopf erwischt haben, denn der Radau steigerte sich zu einer das Gehör schädigenden Phonzahl. »Du sollst die Kiste abstellen!« brüllte ich.
    »Will ich ja!« brüllte er zurück, drückte den nächsten Knopf, und dann war da wenigstens nur noch lautes Stöhnen. Im anderen Kanal wälzte sich ein Pärchen auf schwarzen Seidenlaken. »Das ist übrigens der Sender, bei dem du morgen auftrittst«, informierte er mich grinsend.
    »Ja, aber nicht in Unterwäsche.«
    Bevor ich mein Bett räumte, weil Sascha sonst doch keine Ruhe geben würde, konnte ich mir die Bemerkung nicht verkneifen, daß Fernsehen keine Garantie für Weitblick sei.
    »Das vielleicht nicht«, konterte mein Sohn, »aber du mußt doch zugeben, daß ein Fernsehapparat das intelligenteste aller Haushaltsgeräte ist. Statt Hemden wäscht es Gehirne.«
    »Dann müßte deins inzwischen porentief rein sein!«
    Um fünf klingelte der Wecker. Draußen dämmerte es erst, doch was ich durchs Fenster sah, hob nicht gerade die Stimmung. Nieselregen sprühte an die Scheiben, und die Birkenwipfel im Park gegenüber kamen sich gegenseitig ins Gehege. Windig war es also obendrein. Na ja, Pfingsten! Was kann man da schon anderes erwarten? Ostern war ja auch verregnet gewesen.
    Mit einem Prominenten-Coiffeur, der meine Haare in eine telegene Form bringen würde, konnte ich kaum rechnen, also do it yourself. Das Shampoo hatte ich zu Hause vergessen, also mußte es wohl am Duschgel gelegen haben, daß meine Frisur ein bißchen anders ausfiel als normalerweise. Besser jedenfalls nicht.
    Das fand auch Sascha, den ich nach vier vergeblichen Versuchen endlich aus dem Bett gescheucht hatte. »Meine Güte, Määm, Afrolook trägt doch heute kein Mensch mehr!«
    Es war ja gar keiner. Eigentlich sollte die ganze Sache nur ein bißchen leger aussehen, jetzt war ein Mop daraus geworden. Auch egal. Rollkragenpullover an, Hundehalsband drüber (verkauft worden war mir die dicke Kette als Modeschmuck) – fertig!
    »Du siehst aus, als würdest du zum Kegeln gehen«, meckerte Sascha. »Hast du nicht was Eleganteres mit?«
    »Wozu denn? Ich kriege ja nicht den Büchner-Preis überreicht. Und meine Zuschauer, so es denn überhaupt welche geben sollte, werden größtenteils im Bademantel vor dem Fernseher sitzen.«
    Im Gegensatz zu mir hatte sich Sascha regelrecht gestylt. Messerscharfe Bügelfalten, Hemd, Krawatte, Blazer…
    »Vielleicht sollte man lieber dich vor die Kamera setzen. Optisch gibst du wesentlich mehr her als ich, und über das Buch wirst du wohl auch ein paar Sätze sagen können.«
    »Dazu müßte ich es ja gelesen haben«, erwiderte mein Sohn.
    Der Prophet gilt eben nichts im eigenen Land! Hatte mein Nachwuchs sich auf meine ersten beiden Bücher noch regelrecht gestürzt, so ließ das Interesse nun allmählich nach. Jetzt kann es durchaus vorkommen, daß ein Nachbar sich bei Nicole erkundigt, ob sie tatsächlich mal in einer Milchfabrik Joghurtbecher zugedeckelt habe. Er habe das in meinem letzten Opus gelesen.
    »Tatsächlich? Dann muß sie das ja auch schon wieder verwurstet haben.«
    Im Funkhaus herrschte bereits reger Betrieb. Offenbar war ein Job bei der Institution Fernsehen doch nicht so erstrebenswert, denn vor dem Aufstehen schon aufstehen zu müssen, ist nicht jedermanns Sache. Meine jedenfalls nicht!
    Diesmal wurden wir sofort empfangen. Man schob uns in ein total überfülltes Zimmer, in dem auf einem Kühlschrank drei Kaffeemaschinen blubberten. Frische Brötchen wurden aufgeschnitten (der Fleiß französischer Bäcker muß wohl auf ihre luxemburgischen Kollegen abgefärbt haben), jemand schrie nach Leberwurst, ein anderer nach Marmelade. Dazwischen klingelte das Telefon, und fortwährend kam oder verschwand jemand durch die Tür.
    Ich fühlte mich gleich zu Hause. Genauso war es früher bei uns so zwischen halb sieben und sieben zugegangen, bevor alle fünf Gören in die Schule mußten.
    »Im Kühlschrank liegt noch ein Rest Lachs von gestern. Wenn den heute keiner ißt, können wir ihn wegschmeißen.«
    Ich bekam einen Teller und ein Messer in die Hand gedrückt, ein Mann mit Bart räumte bereitwillig seinen Stuhl – »ich bin sowieso fertig« –, ein anderer stellte eine Tasse Kaffee vor mich hin, ein junges Mädchen reichte die Butter herüber. »Ist ja alles ein bißchen chaotisch hier, aber wir
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher