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Museumsschiff (Gaugamela Trilogie) (German Edition)

Museumsschiff (Gaugamela Trilogie) (German Edition)

Titel: Museumsschiff (Gaugamela Trilogie) (German Edition)
Autoren: Matthias Falke
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flogen weiter auf das Objekt zu, das allmählich an Lichtkraft gewann und endlich flächig wurde. Gleichzeitig tauchten andere in seiner Peripherie auf. Es waren Galaxien. Ein neues, wenn auch eher kleines, zersplittert wirkendes Galaxienfeld. In unsagbarer Schönheit lag es vor uns, wie Perlmutt schimmernd, elegante Strudel und Wirbel, Pirouetten und Fontänen von Licht, von göttlicher Substanz, von Sein. Immer neue Kugelsternhaufen und spiralene Milchstraßen gesellten sich dazu, bis die Superstruktur eine zusammenhängende Gestalt gewann.
    Es war Jennifer, die aus den Steinchen das Mosaik zusammensetzte, aus den Buchstaben nicht nur Wörter und Sätze formte, sondern eine Botschaft formulierte.
    »Weißt du, was das ist?«, hauchte sie kraftlos, aber von übermenschlicher Begeisterung beseligt.
    Ich konnte kaum schlucken, geschweige denn sprechen. Mit einer letzten Anspannung des Willens richtete ich mich auf, um über die Konsole hinweg durch die Bugscheibe zu starren. Jennifer musste mehrmals ansetzen. Ihr Atem war zu schwach. Ihre trockenen Lippen bildeten Laute und Silben, aber der Odem, der sie zu mir getragen hätte, wollte nicht mehr in sie einströmen. Dann gelang es, und ich hörte ihre Worte.
    »Die Lokale Gruppe«, flüsterte sie ergriffen.
     
    In den nächsten Stunden veranstalteten die Instrumente unseres Shuttles ein Feuerwerk. Ununterbrochen registrierten sie bekannte Strukturen und erfassten Fixpunkte, die sie in ihr Koordinatennetz aufnahmen. Dabei ging es der Automatik des Gefährts nicht anders als uns selbst. Alles war spiegelverkehrt, es schien auf dem Kopf zu stehen. Was unendlich weit hinter uns sein musste, lag plötzlich vor uns. Wir hatten einmal die Reise um die Welt gemacht. Und wenn wir auch nicht ganz die 80 Tage dafür benötigt hatten, die Phileas Fogg für sein Unternehmen angesetzt hatte, so waren wir auch, wie ich mit einem fassungslosen Blick von dem Chronographen des Shuttles ablas, nicht viel darunter geblieben. Nun, dafür war der Radius, den wir umrundet hatten, auch geringfügig großzügiger bemessen. Wie Fogg, der die Wette schon verloren gegeben hatte und dann feststellte, dass die Bewegung gegen den Tageslauf ihm durch die Hintertür die nötige Frist spendierte, galt auch unsere Sorge, als über das räumliche Panorama kein Zweifel mehr bestand, der zeitlichen Situation. Wo wir waren, war schnell geklärt, aber wann? Wir hatten Milliarden Lichtjahre zurückgelegt. Dennoch blieb ein leises Unbehagen. Wenn nun auf der Erde tausende oder Millionen Jahre vergangen waren? Es wäre nicht nur unser Schicksal besiegelt gewesen, über unserer ganzen Fahrt, einmal rings um den Horizont des Unvermessenen, hinge auch ein schwer erträgliches Umsonst.
    Aber Jennifer beruhigte mich. Sie hatte, sowie der Kurs korrigiert und neu programmiert war, einige bekannte Quasare angepeilt und ihre kreisenden Neutronenfeuer, diese kosmischen Leuchttürme, genau erfassen lassen. Indem sie ein Netz solcher Fixpunkte über die Galaxiengruppe warf, konnte sie die Positionen der Mitglieder vermessen und sie mit denen vergleichen, die in den Sternkarten in den Speichern der Automatik verzeichnet waren. Es ergab sich, dass die Kreisbewegungen der Milchstraßen und ihre Drift gegeneinander genau an dem Punkt hielten, an dem wir die Lokale Gruppe verlassen hatten. Nach kosmischen Maßstäben war keine Zeit vergangen. Was waren hier draußen schließlich Monate?
    Wir schossen auf das Galaxienfeld zu und flogen in die Milchstraße ein, von den südwestlichen Quadranten her, die durch die dichten Sternenagglomerationen des Zentrums vor den Spähern der Sineser verborgen waren. Wir hatten einmal die Reise um die Achse des Universums machen müssen, um uns aus ihrem Rücken anschleichen zu können. Freilich wussten wir nicht, was sie seit unserer Flucht unternommen hatten. Vermutlich hatten sie den Terror gegen die Tloxi noch verstärkt. Vielleicht hatten sie ihre Anstrengungen, die MARQUIS DE LAPLACE aufzuspüren, intensiviert, und möglicherweise war es sogar zu einer Strafaktion gegen die Erde gekommen. Aber soweit wir sie kannten und ihr Verhalten einschätzen zu können glaubten, gingen wir davon aus, dass sich ihre Aktionen und ihre Aufmerksamkeit auf den Großen und Kleinen Korridor konzentrierten.
    Natürlich mussten wir vorsichtig sein. Aber die euphorische Erschöpfung, in der wir uns befanden, erfüllte uns mit einer Unbedenklichkeit. Besonders, was Jennifer anging, war jede Müdigkeit, jedes
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