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Murray, Paul

Murray, Paul

Titel: Murray, Paul
Autoren: An Evening of Long Goodbyes
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Augenblick wieder verschwand, wenn mein Blick darauf
fiel, das launisch hin und her hüpfte, bis ich, benommen und müde, der Hatz
nicht länger folgen konnte und den Kopf auf das Kissen sinken ließ, wo ich
ihrem Geruch nahe war und die Sonne wie eine freundliche Hand meine Wange
streichelte. Und dann lächelte ich; es kam mir absurd vor, wie in einem Roman
mit einem falschem Schluss; sie war nicht mehr da, und ich lag hier zwischen
ihren warmen Decken auf der Matratze, die uns an vielen Sonntagnachmittagen
als Floß über schäumende Stromschnellen und in düster verschlungene Seitenarme
getragen hatte, nach Sankt Petersburg und Timbuktu, nach Narnia und ins
Niemalsland...
    Bis ich
eines Tages in ihr Zimmer ging und die Dinge wieder das waren, was sie waren,
eben Dinge; als wären sie über Nacht von irgendeinem Geist verlassen worden.
Ich stand inmitten von namenlosen Gegenständen, einem Haufen Gerumpel aus Holz
und Plastik, der mit nichts mehr irgendetwas zu tun hatte, der nur darauf
wartete, durchgesehen und in Kartons verpackt oder weggeworfen zu werden. In
diesem Augenblick wusste ich, dass es Zeit war zu gehen.
     
    An dem
Tag, als ich nach Bonetown zurückkehren wollte, rückten zufällig auch die
Bulldozer an, die das Haus des alten Thompson abreißen sollten. In der
hintersten Ecke der Veranda fanden die Bauarbeiter die aufgeknüpfte Leiche von
Olivier, der schon eine Zeit lang da gehangen haben musste. Die Angestellten
des Auktionshauses hatten ihn wohl übersehen, als sie das Haus ausräumten.
    Die
Bauarbeiter mussten ihn abschneiden. Sie waren so durcheinander, dass sie erst
gar nicht mit der Arbeit anfingen, sondern sich zu uns in die Küche setzten.
Sie wussten nichts von Thompsons Tod oder der Anfechtung seines Testaments,
gegen die Olivier sich nicht gewehrt hatte. Sie schüttelten den Kopf, als ich
sie aufklärte. »Auch wenn der Bursche das Haus nicht verkauft hätte, Mr H.,
spielt gar keine Rolle. Die Bude musste sowieso irgendwann abgerissen werden,
bisschen Funkenflug, und der Kasten wär in Flammen
aufgegangen wie eine Streichholzschachtel. Sie wissen ja, wie das ist mit
diesen alten Häusern. Wenn man da neue Kabel verlegen will, muss man so viel
aufreißen, das lohnt sich gar nicht. Gleich abreißen und neu bauen ist auf
lange Sicht billiger. Kein Grund, sich aufzuregen.«
    Das neue
Objekt hörte auf den Namen Romanov Arbour: fünf Luxusresidenzen mit Fitnessraum
und Sauna, jede nach einem russischen Schriftsteller benannt - Puschkin,
Tolstoi, Gogol und so weiter. Sie waren schon vor Baubeginn zu Rekordpreisen
verkauft worden.
    »Computerbranche,
Mr H.«, sagten die Bauarbeiter. »Diese Typen brauchen bloß Elektroschutzzaun
hören und dann noch einen Namen, der sich irgendwie ausländisch anhört, und
schon gibt's kein Halten mehr, dann zahlen die jeden Preis.« Den Bauarbeitern
gefiel das auch nicht, aber wie sie selbst gesagt hatten, man durfte sich über
so was nicht groß aufregen. Vor allem als Bauarbeiter, vor allem in Dublin.
Außerdem war das ihr letzter Auftrag. Sie hatten genug Geld beiseite gelegt, um
endgültig aus der Tretmühle auszusteigen.
    »Aussteigen?«,
sagte ich.
    »Mexiko«,
sagten sie. An Neujahr würden sie samt ihrer Ausrüstung auswandern und sich
einer Truppe anschließen, die im Dschungel, in den Bergen von Chiapas, ihren
eigenen Staat gegründet habe. Der Anführer trüge so eine schwarze Sturmhaube,
die er nie absetze. »Er sagt, das ist ein Spiegel der Gesichter der
Entrechteten«, sagten die Bauarbeiter.
    »Muss
ziemlich stickig sein unter dem Ding«, sagte ich. »Ich meine, im Dschungel und
so.«
    »Einer
muss es ja machen«, sagten sie und kletterten in ihre Bulldozer. »So long, Mr
H. Viva la revolución!«
     
    Ich hatte
Bonetown immer nur als vorübergehende Lösung betrachtet. Doch je länger ich
blieb, desto mehr machte mir der Gedanke Kummer, nicht mit Frank zusammen zu
wohnen. Das hatte nichts damit zu tun, was er sagte, und schon gar nicht damit,
was er tat, es war die einfache Tatsache seiner Anwesenheit, die mich
beruhigte. Irgendwie sorgte er dafür, dass die Dinge im Lot blieben. Er war wie
eine tragende Wand in einer Wohnung.
    Und
außerdem erschien es mir auch irgendwie logisch, dass ich mich jetzt wieder
inmitten all des Gerumpels befand, das andere Leute aus ihren verpfuschten
Leben entfernt hatten. Also schaffte ich mit Franks Lieferwagen auch das Piano
von Amaurot nach Bonetown, quetschte es ins Wohnzimmer und stümperte abends
nach der
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