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Muensters Fall - Roman

Muensters Fall - Roman

Titel: Muensters Fall - Roman
Autoren: H kan Nesser
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er, während er sich Jung gegenüber setzte.
    »Leverkuhn ist tot«, sagte Jung. »Was wissen Sie über die Sache?«
    Palinski ließ den Unterkiefer fallen. Sein Selbstbewusstsein war dahin.
    »Was?«
    »Ermordet«, erklärte Jung. »Nun?«
    Palinski starrte ihn mit halb offenem Mund an und begann wieder zu zittern.
    »Was ... was, zum Teufel, sagen Sie da?«
    »Ich sage, dass jemand Waldemar Leverkuhn letzte Nacht in seiner Wohnung ermordet hat. Sie sind einer der letzten, die ihn lebend gesehen haben, und jetzt will ich wissen, was Sie dazu zu sagen haben.«
    Plötzlich schien es, als würde Palinski in Ohnmacht fallen.
    Verdammter Mist, dachte Jung. Ich bin wohl etwas zu forsch vorgegangen.
    »Sie waren also gestern zusammen aus«, versuchte er es vorsichtiger. »Stimmt das?«
    »Ja ... ja, natürlich.«
    »Bei Freddy’s in der Weiskerstraat?«
    »Ja.«
    »Zusammen mit zwei anderen Herren?«
    »Ja.«
    Palinski schloss seinen Mund und hielt sich an der Tischkante fest.
    »Wie geht es Ihnen?«, fragte Jung vorsichtig.
    »Schlecht«, sagte Palinski. »Ich bin krank. Dann ist er also tot?«
    »Mausetot«, nickte Jung. »Jemand hat mindestens zwanzig Mal mit einem Messer in ihn reingestoßen.«
    »Messer ...?«, piepste Palinski. »Ich verstehe das nicht.«
    »Wir auch nicht«, bestätigte Jung. »Wollen Sie nicht ein bisschen
Tee oder Kaffee aufsetzen, damit wir die Sache in aller Ruhe besprechen können?«
    »Ja, natürlich«, sagte Palinski. »Verdammte Scheiße! Wer hat das getan?«
    »Das wissen wir nicht«, sagte Jung.
    Palinski erhob sich mühsam.
    »Wir müssen alle diesen Weg gehen«, stellte er überraschend fest. »Ich glaube, ich brauche erst mal ein paar Tropfen zur Stärkung. So ein verdammter Mist!«
    »Geben Sie mir auch welche«, sagte Jung.
     
    Er verließ Palinski eine Stunde später mit einigermaßen klarem Kopf und einigermaßen deutlichen Aussagen. Ja, man hatte sich bei Freddy’s getroffen – genau wie immer an den Samstagabenden. Ungefähr zwischen halb sieben und elf. Hatte gegessen und getrunken und sich unterhalten. Über Politik und Frauen und alles Mögliche zwischen Himmel und Erde.
    Wie immer. Hatte auch einiges hinter die Binde gekippt. Leverkuhn war unter den Tisch gerutscht, aber das war nichts Schlimmes. Dann hatte Palinski sich mit Wauters ein Taxi geteilt. Er war so gegen zwanzig nach elf zu Hause gewesen und sofort ins Bett gefallen. Bonger und Leverkuhn waren wohl zu Fuß gegangen, aber er war sich da nicht sicher. Noch als er und Wauters abgefahren waren, hatten sie vorm Freddy’s gestanden und über irgendetwas diskutiert, wie er sich zu erinnern meinte.
    Ob es zwischen den Herren irgendwelche Differenzen gab?
    Nein, ganz und gar nicht! Sie waren die besten Freunde auf der Welt. Deshalb trafen sie sich ja mittwochs und samstags bei Freddy’s. Manchmal sogar noch häufiger.
    Irgendwelche Feinde? Die Leverkuhn hatte, natürlich.
    Nein ... Palinski hatte vorsichtig seinen empfindlichen Kopf geschüttelt. Wer hätte das denn sein sollen? Zum Teufel, in dem Alter hatte man doch keine Feinde mehr. Die Leute, die sich Feinde zulegten, wurden doch nur halb so alt.
    Und keine besonderen Auffälligkeiten bei Leverkuhn an dem Abend?

    Palinski runzelte die Stirn und dachte nach.
    Nein, keinen Furz.
     
    Es regnete, als Jung wieder auf die Straße trat, aber er hatte beschlossen, dennoch zu Fuß zum Kanalviertel zu gehen, wo er seinen nächsten Termin hatte.
    Bonger.
    Laut Angaben wohnte er auf einem Hausboot in der Bertrandgraacht, und während Jung langsam die Palitzerlaan und Keymerstraat entlangwanderte, dachte er daran, wie oft er selbst überlegt hatte, ob das nicht ein alternativer Wohnplatz sein könnte. Zumindest früher hatte er daran gedacht. Vor Maureen. Der Gedanke, auf einem Boot zu leben, war sonderbar anziehend. Das ruhige Wiegen des dunklen Kanalwassers. Die Unabhängigkeit. Die Freiheit ... zumindest die Illusion einer Freiheit ... ja, das hatte schon was.
    Als er die angegebene Adresse erreichte, begriff er, dass die Sache auch so ihre Kehrseiten hatte.
    Bongers Zuhause war ein flacher alter Holzkasten von knapp zehn Metern, er lag verdächtig tief in dem schwarzen Wasser und schrie geradezu nach Farbe und Pflege. Das Deck stand voll mit Kanistern, Trossen und altem Gerümpel, und die eigentliche Wohnstätte hinten im Heck schien sich größtenteils unterhalb der Wasserlinie zu befinden.
    O Mann, dachte Jung und fröstelte unwillkürlich im Regen. Was für
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