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Muenchen - eine Stadt in Biographien

Muenchen - eine Stadt in Biographien

Titel: Muenchen - eine Stadt in Biographien
Autoren: Franziska Sperr
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Männer wie auch Frauen von sich abhängig, spielte Liebende gegeneinander aus, zündelte im Stroh der Eifersüchteleien, mal warmherzig und zugewandt, dann wieder schroff und ablehnend.
    Aus dem Action-Theater wurde »sein« Antitheater, er wollte mehr riskieren und sich avantgardistisch in Szene setzen – und es gelang. Manche aus der Gruppe blieben sein Leben lang an ihm haften, andere konnten die psychischen Berg- und Talfahrten nicht mehr aushalten und suchten das Weite. Die, die blieben, sahen in ihm einen genialen Künstler und Mentor – wenn auch, wie der Schauspieler
Kurt Raab
sagte, »mit finsterem Herrscherblick«. Da war er noch keine 20 . Kurz darauf begann er Filme zu machen, anfänglich mit mäßigem Erfolg, aber immer mit der Überzeugung, dass es nur so richtig war, wie er es machte. Wer mit ihm arbeiten wollte, musste akzeptieren, dass er der größte Regisseur aller Zeiten war. Sagen ließ er sich wenig. Für sein persönliches Leben legte er bald den Turbogang ein: maßloses Arbeiten, maßloses Trinken, maßloser Sex. Er war ein Seismograph für die im Nachkriegsdeutschland immer noch existierende latente selbstzerstörerische Kraft. Ein destruktiver Lustmensch – jemand, der säuft, Drogen nimmt, raucht und laut ist.
    Es entstanden Filme, die anders waren als das, was man bisher in Deutschland kannte, realistisch, gesellschaftskritisch, dabei ungeheuer poetisch. Die kleinen Budgets und die dadurch entstandenen Mängel wurden zum bewussten Stilprinzip. Mit Darstellern, die absichtlich laienhaft agierten, die gegen die versiert professionelle Schauspielkunst der Nachkriegszeit anspielten, mit einer seltsam geheimnisvollen Aura. Sie agierten anders, sprachen die Texte anders, bewegten sich auf gekonnte Weise hölzern, sogar dann, wenn sie lasziv daherkamen.
    Auch die Filmstoffe waren anders: Kleinbürger, die sich durchs Leben schlagen, ihr alltäglicher Rassismus, ihre Einsamkeit und die oft lächerlichen Versuche, der Mittelmäßigkeit zu entkommen. Und sie handelten vom Scheitern der Liebe. Immer kreisen Fassbinders Filmerzählungen um diesen Nukleus. »Händler der vier Jahreszeiten«, »Die bitteren Tränen der Petra von Kant«, »Angst essen Seele auf«, »Liebe ist kälter als der Tod«. In seinem Film »Katzelmacher«, für den er nur neun Tage Drehzeit brauchte, spürt man bereits die Leinwandpräsenz der
Hanna Schygulla,
die er von der Schauspielschule her kannte. Sie war die Einzige, die immer Distanz hielt zu ihm, mit der er nicht so umspringen konnte wie mit den anderen. Ihre Weiblichkeit, ihren verwunschenen Zauber setzte er in vielen Filmen ein.
    BESESSEN VON DER ARBEIT, BESESSEN VOM KOKS
    Kurt Raab,
Irm Hermann, Gottfried John, Ingrid Caven, Peer Raben,
sie alle gehörten zu Fassbinders »inner circle«. Andere kriegten nur dann Rollen, wenn sie artig und duldsam waren und sich alles gefallen ließen. Mit zunehmendem Erfolg verlor er immer mehr den Halt. Er trampelte auf den Gefühlen seiner engsten Freunde herum, soff, hurte, schlug um sich. Irgendwann reichte ihm der Alkohol nicht mehr, auch nicht die 100  Zigaretten am Tag; er kam ans Kokain – und nicht mehr davon los.
    Er arbeitete wie ein Besessener, schrieb Drehbücher, auch viele, die nie verfilmt wurden, dramatisierte Alfred Döblins Roman »Berlin Alexanderplatz« und drehte die 13 -teilige Serie fürs Fernsehen. Da gab es noch die DDR , die verweigerte die Drehgenehmigung in Ost-Berlin. Also baute man große Kulissen in den
Bavaria Filmstudios
in Geiselgasteig, wo viele bekannte Regisseure und Produzenten arbeiteten, Oliver Storz und Volker Schlöndorff, auch Billy Wilder und Robert Aldrich und Bernd Eichinger. Manche der alten Kulissen sind im Rahmen von Ausstellungen auf dem Gelände der Bavaria Filmstadt zu bestaunen.
    In der zweiten Hälfte der 70 er-Jahre nahm Fassbinders wahnsinnige Produktivität noch weiter an Fahrt auf. Mindestens zwei Filme im Jahr – im Ausland rissen sich Stars darum, von ihm besetzt zu werden. In Frankreich und Amerika gefeiert, im eigenen Land verschmäht. Diesem Druck versuchte Fassbinder durch mehr Kokain auszuweichen, bis zu sechs Gramm am Tag sollen es gewesen sein. So berserkerhaft, wie er gearbeitet hat, so hat er auch geschnupft, daran konnte auch seine Cutterin
Juliane Lorenz,
mit der er zuletzt zusammenlebte, nichts ändern. Er hatte sich für das kurze, intensive Leben entschieden.
    Am 10 . Juni 1982 starb er an den Folgen seines jahrelangen Exzesses, da war er gerade
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