Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mrs Roosevelt und das Wunder von Earl’s Diner: Roman (German Edition)

Mrs Roosevelt und das Wunder von Earl’s Diner: Roman (German Edition)

Titel: Mrs Roosevelt und das Wunder von Earl’s Diner: Roman (German Edition)
Autoren: Edward Kelsey Moore
Vom Netzwerk:
geeilt. Clarice mochte Belinda. Sie war ein reizendes Mädchen und klug dazu. Sie hatte ein Stipendium ergattert, das für ihr gesamtes Studium ausreichte. Unglücklicherweise war sie aber das Ebenbild ihrer großköpfigen Mutter in diesem Alter. Kniff man die Augen zusammen, wenn sie auf einen zuging, dann hätte man schwören können, es schwebe ein brauner Luftballon daher.
    Als Belinda Richmond Tee einschenkte, stieß sie mit dem Krug aus Versehen an das Glas, und es fiel zu Boden. Sie ließ einen Schrei los und entschuldigte sich hastig. Dann fing sie an, sich darin zu ergehen, wie ungeschickt sie doch sei. Belinda zog einen Küchenlumpen aus der Schürzentasche und wollte das Verschüttete aufwischen, aber Richmond hielt sie zurück. »Und riskieren, diese schicke neue Schürze zu ruinieren? Damit könnte ich nicht leben«, sagte er, als er ihr den Lappen abnahm. Dann ging er auf die Knie, um den Tee höchstpersönlich aufzuwischen. Belinda entschuldigte sich weiter, während er herumwerkelte, und schenkte ihm einen neuen Tee in ein Glas, das sie von einem anderen Tisch genommen hatte.
    Richmond zu sehen, wie er in seinem besten Sommeranzug zu Füßen dieses tollpatschigen, unscheinbaren Mädchens kniete, führte dazu, dass ihre schlechten Erinnerungen an die vergangene Nacht und den Morgen etwas in den Hintergrund traten. Das war Richmond. Immer dann, wenn sich Wut in ihr aufbaute, weil sie an die unzähligen Male denken musste, die er sie enttäuscht hatte, erinnerte er sie daran, was sie an ihm liebte. Sie sah ihm dabei zu, wie er mit dem Lumpen den zerfurchten Eichenholzboden schrubbte, und konnte nicht umhin, daran zu denken, wie dieselben wundervollen Hände ihre gemeinsamen Kinder getröstet und genauso viele, wenn nicht noch mehr, Windeln gewechselt hatten wie ihre eigenen. Diese Hände hatten außerdem ihren Vater gefüttert, die ganzen letzten Wochen seines Lebens, und zwar dreimal am Tag. Er war bereits zu schwach gewesen, um einen Löffel zu halten, aber immer noch zu stolz, um Clarice oder ihrer Mutter zu erlauben, ihn zu füttern. Nur diesen Richmond, den gütigen und selbstlosen, hatte sie die letzten zwei Jahre erlebt. Aber nun war der andere Richmond, derjenige, der log und betrog, wieder aufgetaucht, und weder Schmeicheleien noch galante Gesten konnten diesen aus ihren Gedanken vertreiben.
    Belinda brachte noch immer ganz aufgewühlt, aber lächelnd, den mit Tee vollgesaugten Lappen weg. Richmond setzte sich wieder auf seinen Stuhl und nahm einen hastigen Schluck aus seinem Glas. Clarice probierte ihren Tee und musste feststellen, dass er so süß war, dass sie nicht mehr als einen Schluck herunterbekam. Richmond, der Diabetiker war, durfte eigentlich überhaupt nichts davon trinken. Aber als sie zu ihm hinüberblickte, sah sie, dass Richmond nicht nur den süßen Tee in sich hineinschüttete, sondern damit sogar auch noch ein Stück Pekannusskuchen hinunterspülte, den ihm irgendjemand, vermutlich dieser verdammte Ramsey, gegeben hatte.
    Das war Teil des Eiertanzes, den sie jeden Sonntag vollführten. Richmond schnappte sich heimlich fettige, zuckersüße Leckerbissen, die nicht seinem Diätplan entsprachen.Clarice spielte die Rolle der gestrengen Mutter, die ans andere Tischende gerannt kam, ihm die Ohren langzog und die Herausgabe der Leckereien verlangte. Das Spiel endete jedes Mal damit, dass Richmond sie mit seinen langen Wimpern anklimperte, bis sie ihm einen Löffel von was auch immer er stibitzt hatte zugestand. Dann kehrte sie zu ihrem Stuhl zurück und verdrehte theatralisch die Augen darüber, was ein undisziplinierter Junge ihr Richmond doch war.
    Aber heute war Clarice nicht in der Stimmung, sein Spielchen mitzuspielen. Sie beobachtete ihn dabei, wie er den Kuchen kaute und diesen völlig überzuckerten Tee trank, und kniff den Mund fest zusammen. Sie sagte sich, dass sie diesmal keinen Finger rühren würde, um ihn davon abzuhalten. Wenn er das unbedingt wollte, dann sollte er sich doch wieder ins Krankenhaus befördern. Wenn es ihm egal war, warum sollte es sie kümmern?
    Aber alte Gewohnheiten entwickeln sich leicht zu Reflexen, und Clarice musste feststellen, dass sie sich nicht zurückhalten konnte. Sie erhob ihr Teeglas mit der rechten Hand und klopfte mit dem Nagel des linken Ringfingers dagegen, um seine Aufmerksamkeit zu bekommen. Sie sagte: »Richmond, zu süß.«
    Er schob die Unterlippe vor und schaute traurig, aber er schob das Teeglas und den kleinen Kuchenteller
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher