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Mottentanz

Mottentanz

Titel: Mottentanz
Autoren: Lynn Weingarten
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schweigt.
    »Irgendwann hast du ihr auf jeden Fall deine Nummer gegeben.«

    »Ich habe dir doch gesagt, ich kenne sie nicht.«
    Sein Tonfall ist nicht mehr so freundlich. Er macht erneut eine Pause. »Deb hat dich dazu angestiftet, stimmt’s?«
    »Nein«, sage ich. »Wer ist Deb?«
    » Wer ist Deb? Na klar.« Er flucht halblaut. »Hör zu, Süße. Ich kenne keine Nina und ich gebe meine Nummer auch nicht irgendwelchen Mädchen, okay? Du kannst deiner kleinen Freundin Debbie ausrichten, sie soll mich in Ruhe lassen. Ich habe aus gutem Grund mit ihr Schluss gemacht, und zwar weil sie eine eifersüchtige Psychopathin ist, und wenn sie und ihre Freundinnen nicht aufhören, bei mir anzurufen, dann lasse ich eine einstweilige Verfügung erwirken …« Er unterbricht sich und ich höre eine Frauenstimme im Hintergrund. »Mit wem telefonierst du?« Er flüstert: »Ich schwör dir, das mach ich!« Dann legt er auf.
    Amanda kauert neben mir auf dem Boden.
    »Was ist passiert?«
    Ich muss mich abwenden, weil ich nicht anfangen will zu weinen.
    »Nur ein Typ, der keine Ahnung hat, wer sie ist.« Ich versuche, es möglich nüchtern zu sagen und mit einem Achselzucken abzutun. Nach zwei Jahren solcher Fehlschläge sollte ich inzwischen eigentlich daran gewöhnt sein. Die Aufregung der Hoffnung, dann der schwarze Abgrund der Hoffnungslosigkeit. Aber vielleicht gehört das zu den Sachen, an die man sich einfach nicht gewöhnen kann.
    Amanda nickt und legt mir den Arm um die Schultern, denn sie hat diese Geschichte auch schon tausendmal gehört,
weil sie mir die ganze Zeit beigestanden hat. Weil sie für mich das ist, was einer Schwester am nächsten kommt.
    Ich lege meinen Kopf an ihre Schulter und atme ihre teuren Haarpflegemittel ein.
    »Ach, El«, seufzt Amanda. Wir sitzen einen Moment lang bewegungslos da, und dann fange ich an, die Riemchensandalen zuzuschnüren. Ich weiß nicht, was ich sonst tun soll. Ich winde die goldenen Bänder um meine Knöchel und versuche, mich darauf zu konzentrieren, dass ich schon eine ganz schöne Farbe bekommen habe. Es ist schön, wenn die Bräune stimmt. Es ist schön, schicke Schuhe anzuziehen, und genau daran werde ich jetzt denken. Ich drehe mich zu Amanda um, zwinge mich, ein Lächeln aufzusetzen, strecke einen Fuß vor und schüttele mein Bein.
    »Was auch passieren wird, wenigstens sehen meine Füße gut aus, stimmt’s?«
    Amanda erwidert mein Lächeln. Sie ist erleichtert, dass ich versuche, mich nicht in den gewohnten Abgrund ziehen zu lassen. Aber bevor sie antworten kann, komme ich auf eine Idee. Sie ist so naheliegend, dass ich beinahe laut losgelacht hätte. Ich stehe auf und renne los.
     
    »Es öffnet mir richtig die Augen, meinen Tag so zu sehen«, grinst Amanda. Ein paar Minuten sind vergangen und wir sitzen in Morgettes Büro und schauen das Band aus der Überwachungskamera im Schnelldurchlauf an. »Bisher dachte ich, ich würde wenigstens manchmal arbeiten. Aber da habe ich mich wohl getäuscht.«
    Ich nicke lächelnd, obwohl ich nicht wirklich zuhöre. All
meine Aufmerksamkeit ist auf die winzigen Menschen gerichtet, die über den Bildschirm huschen. Da ist Amanda, die Lipgloss auflegt, da kommt ein Mädchen in den Laden, drei Freundinnen wühlen in der Auslage, ein Pärchen scheint sich zu streiten, ein Mädchen unseres Alters drückt sich vor dem Spiegel einen Pickel aus, als sie sich unbeobachtet fühlt. Wieder Amanda, die unterschiedliche Frisuren ausprobiert.
    »Hypnotisierend«, sagt Amanda und schüttelt den Kopf. »Ich hätte bei dem hohen Pferdeschwanz aufhören sollen, das sah am besten aus.«
    Ein paar Leute bringen Tüten mit Klamotten zum Tresen, aber bisher ist noch niemand mit dem großen weißen Karton aufgetaucht. Dem Karton, in dem das Buch lag, in dem die Zeichnung steckte, die mich vielleicht zu Nina führen wird.
    Ein Typ mit einem großen Karton erscheint auf dem Schirm. Ich atme tief ein und halte dann die Luft an. Aber er stellt den Karton bei der Tür ab, probiert einen Gürtel an, geht mit dem Gürtel zum Tresen, diskutiert mit Morgette über den Gürtel, hebt seinen Karton auf und geht wieder.
    Amanda holt tief Luft und bläst sie dann geräuschvoll wieder aus. »El, ich will kein Spielverderber sein, und du weißt, dass ich alles tun würde, um dir zu helfen, aber was genau willst du damit erreichen, dass du dir dieses Band ansiehst? Selbst wenn wir jemanden sehen, der einen Karton abgibt, in dem ein Buch sein könnte, das vielleicht das Buch
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