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Morton Rhu - Leben und Werk

Morton Rhu - Leben und Werk

Titel: Morton Rhu - Leben und Werk
Autoren: Nicola Bardola
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Dass es sich beim Eingliedern in eine solche Hierarchie aber nicht um einen realen Zwang handelt, sondern dass alle Mädchen, die sich von Katherine terrorisieren lassen, faktisch frei sind und ihr Handeln selbst zu verantworten haben, macht Rhue immer wieder deutlich. So weiß Callie nicht, auf wen sie wütender sein soll – auf Katherine, weil sie so grausam war, oder auf mich selbst, weil ich so grenzenlos dumm gewesen war.
    Callies Freund Slade leidet besonders unter ebendieser Grausamkeit und Dummheit, seine Beziehung zu Callie gerät allein durch Katherines Intervention in eine tiefe Krise. Für die Königin ist Slade, der ins Baugeschäft einsteigen möchte, ein Lachobjekt. Während Slades Grundausbildung bei der Armee erhöht Katherine ihren Druck auf Callie so stark, dass diese die Beziehung beendet. Auch nach Slades Rückkehr sind die beiden zunächst nicht im Kontakt, und erst als Callie Slade um Hilfe bei ihrer Flucht vor der Polizei bittet, kommen sie sich wieder näher.
    Morton Rhue spricht in seinem zweiten Thriller viele gesellschaftsphilosophische Fragen und soziale Problemstellungen an.
    Wie schon in »Wish u were dead« wählt er eine sympathisch-menschliche Hauptfigur, die dem Leser als Identifikationsfigur dient. Callie macht zwar Fehler, zeichnet sich aber, genau wie Madison, durch ein großes soziales Gewissen, ausgeprägtes Reflexionsvermögen und eine große Lernbereitschaft aus. Als Katherine sich einmal mehr über Slades künftige Arbeit auf dem Bau lustig macht, kontert Callie, indem sie Katherines wunden Punkt, die momentane Arbeitslosigkeit ihres Vaters, andeutet. Morton Rhue verfolgt seinen Ansatz der Wertevermittlung auch hier konsequent, indem er das Kapitel nicht mit Callies giftiger Bemerkung, sondern mit einigen erklärenden Gedanken der Protagonistin enden lässt:
    Arbeitslosigkeit ist nichts, wofür man sich schämen müsste. Viele Menschen werden arbeitslos und können nichts dafür. Aber ich fand, dass Katherine die Allerletzte war, die das Recht hatte, auf Leute herabzublicken, die zumindest Arbeit hatten, selbst wenn es sich um – Gott behüte! – körperliche Arbeit handelte.
    Durch die Positionierung dieser Gedanken am Ende eines Kapitels bleibt das Thema Arbeitslosigkeit den Lesern noch eine Weile im Kopf.
    Auf ähnliche Weise werden weitere Themen angeschnitten. Es geht um den Kriegseinsatz junger Soldaten in Afghanistan ebenso wie um häusliche Gewalt, um Depression und deren Behandlung durch Psychotherapie, oder um die Verantwortung, die Kinder gegenüber ihren Eltern verspüren, wenn diese sich in einer schwierigen Lebensphase befinden. So sorgt sich Callie um ihre depressive Mutter, während Slade seine Grundausbildung bei der Armee nur antritt, um den Ansprüchen seines verwitweten Vaters gerecht zu werden.
    In beiden Erzählsträngen liegt also das Hauptaugenmerk nicht auf dem Vorantreiben der kriminalistischen Handlung, sondern auf dem Blick in die Herzen und Köpfe der Jugendlichen. Dies gilt auch für einen dritten Erzählstrang: In unregelmäßigen Abständen erhalten die Leser Einblick in kurze Gesprächsausschnitte zwischen zwei Personen, die scheinbar etwas mit dem Mord an Katherine zu tun haben müssen. Nicht selten sind es nur Dialogfetzen, die zunächst irritieren, später aber, bei der Auflösung des Kriminalfalls, an Tiefe gewinnen:
    »Ich hab gehört, dass Jungs für dich so was wie Tampons sind.«
    »Was soll das denn heißen?«
    »Du benutzt sie einmal und wirfst sie dann weg.«
    »Sehr witzig.«
    »Stimmt es denn?«
    »Das würdest du wohl gern wissen, was?«
    Als am Ende des Romans klar wird, dass das Mädchen, dem hier Männerverschleiß vorgeworfen wird, Dakota ist, und dass es deren größte Angst ist, lesbisch zu sein, öffnet sich den Lesern eine neue Lesart. Sie können vergleichen, wie sie den Dialog vor und nach Erhalt dieser Information wahrgenommen haben. Einmal mehr geht es hier um den Missklang von Fassade und Innerem, um Vorurteile und tiefe Gefühle, und nicht zuletzt um den täglichen Kampf der Jugendlichen gegen beziehungsweise für die von ihnen erlebten Normvorstellungen, denen die meisten aus Unsicherheit heraus entsprechen möchten.
    Auch die Enträtselung des Kriminalfalls legt schließlich nichts anderes als das menschliche und speziell jugendliche Gefühlschaos offen – und dessen Auswüchse, wenn Leid zu lange unausgesprochen in einem Mädchen wie Dakota anwächst. Als sich diese nach einem in letzter Sekunde abgewendeten
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