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Morton Rhu - Leben und Werk

Morton Rhu - Leben und Werk

Titel: Morton Rhu - Leben und Werk
Autoren: Nicola Bardola
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wurde.
    Als Leser entwickelt man schnell Sympathie für Callie, da man von Anfang an von ihrer Unschuld überzeugt ist, obwohl erst nach knapp sechzig Seiten erzählt wird, wie es zu dem merkwürdigen Szenario kam, das Callie in den Mittelpunkt der polizeilichen Ermittlungen stellt: Callies Mitschülerin Dakota, die ebenfalls auf der Party war, hatte Callie gebeten, ihr bei der Suche nach Katherine zu helfen, und vorgeschlagen, beim Baseballfeld zu beginnen. Dort fand Callie auch sofort Katherines Leiche und wurde gleich darauf von ihren Mitschülern entdeckt, die Dakota allem Anschein nach zum Baseballfeld geführt hatte. Damit hat der Leser eine Hauptverdächtige im Kopf, während Callie sich mit Hilfe ihres Ex-Freundes Slade vor der Polizei versteckt und versucht, den wahren Mörder zu überführen. Callie verdächtigt dabei, genau wie die Leser, vor allem Dakota.
    Nach Callies Ergreifung vergehen in den letzten zehn Kapiteln noch einmal vier Tage, in denen sich Callie zunächst vergeblich bemüht, der Polizei ihre Unschuld zu beweisen – bis schließlich der wahre Mörder gefasst wird.
    Der von Rhue gewählte »Live-Modus« treibt die Handlung voran und bildet einen Rahmen für viele Rückblenden, die zwischen die Gegenwartskapitel gestellt werden. Nach einer kurzen Einführung in Callies Lebenssituation und Freundeskreis entwickeln sich diese Rückblenden zu einer fortlaufenden Parallelerzählung mit scharfsinnigen Dialogen und starken emotionalen Momenten. So schafft es Morton Rhue, seinen Lesern gleich zwei Spannungsbögen zu bieten, die zum Weiterlesen bewegen: Zum einen interessiert der Fortgang der Jetzt-Handlung – im ersten Romanabschnitt entsteht die Spannung hier vor allem durch Callies Versteckspiel mit der Polizei, im zweiten Teil geht es schließlich ganz konkret um die Identität des Mörders. Zum anderen fesselt die von Intrigen und rätselhaften Verhaltensweisen der verschiedenen It-Girls geprägte Handlung in den Rückblenden, die man nicht zuletzt deshalb so begierig liest, um durch den Blick hinter die Fassaden einen Hinweis auf Katherines Mörder zu erhalten. Obwohl also genügend Spannung erzeugt wird, damit man »Blood on my Hands« einen Thriller nennen kann, liegt ein starker Fokus auch auf der Analyse von Beziehungsgeflechten, auf Emotionalität und Sozialkritik.
    Callie gehört einer der wenigen sozial schwächer gestellten Familien in Soundview an, was sie von jeher für die In-Clique ihrer Highschool disqualifiziert. Mit einer besten Freundin und ihrem langjährigen Freund Slade an der Seite bleibt diese Situation erträglich – bis ihr Bruder den gewalttätigen Vater beinahe zu Tode prügelt. Ihre Familie liegt nun in Trümmern: der Bruder im Gefängnis, der Vater schwerer Pflegefall und die Mutter depressiv. Als ihre einzige Freundin dann nach England zieht und Slades Dienst bei der Armee näherrückt, gelangt Callie an einen Punkt, an dem sie nach jedem rettenden Strohhalm greift – und den bietet ihr Katherine. Obwohl Callie ahnt, dass es sich hier um eine Art herablassende Wohlfahrtsaktion handeln muss, ist sie froh, in Katherines Clique aufgenommen zu werden. Partys in Manhattan und ein dauerhafter Platz am angesagten Tisch in der Cafeteria lenken sie von ihrem Kummer ab.
    Die monarchische Cliquenstruktur hat eindeutig Katherine an der Spitze. Annähernd ebenbürtig ist ihr nur Dakota, die in Harmoniephasen ihre beste Freundin und in schlechten Zeiten ihre größte Konkurrentin ist. Danach folgen zwei Hierarchieebenen, deren Mitglieder Katherine immer wieder austauscht: Die erste Hierarchieebene wird vom sogenannten »Inneren Zirkel« gebildet – das sind zwei oder drei Mädchen, die Katherine angeblich »nahestehen«. Die zweite Ebene repräsentiert das Fußvolk – vier oder fünf weitere Mädchen, die in ständiger Angst vor dem Rauswurf aus der Clique leben. Wie sehr die Mädchen eine »nach unten treten, nach oben buckeln«-Mentalität leben und wie labil Katherines Herrschaft schlussendlich ist, würden ihre Untergebenen sich gegen sie wenden, demonstriert Morton Rhue ebenso eindrücklich wie Katherines Methoden, ihren Status zu erhalten.
    Obwohl das Dritte Reich nie namentlich erwähnt wird (im Gegensatz zu »Wish u were dead«, wo ein Jugendlicher Parallelen zieht zwischen der Naziherrschaft und der Cliquenwirtschaft an der Highschool), zeigt Morton Rhue anschaulich, wie leicht Menschen zu manipulieren sind, wenn man entsprechende hierarchische Strukturen schafft.
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