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Mortlock

Mortlock

Titel: Mortlock
Autoren: Jon Mayhew
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eine Menge Unheil in Gang.«
    »Wenn ich die Amarant in Ruhe lassen und Onkels Ruf schützen könnte, würde ich es tun. Aber Corvis
wird
die Amarant finden, Mr Wiggins. Und dann sind wir ihm alleausgeliefert. Nur wenn wir sie vor ihm finden und vernichten –«
    »Und wie willst du das anstellen, Josie Chrimes?«, fragte Wiggins und sah sie eindringlich an.
    »Uns fällt schon etwas ein«, stammelte Josie. Sie konnte Wiggins’ Blick nicht standhalten und senkte den Kopf.
Aber was?
, fragte sie sich.
›Opfer und ein weiches Herz‹
, hatte Cardamom gesagt. Was bedeutete das?
    »Nein, ich verbiete es euch!«, donnerte Wiggins. »Wagt es ja nicht, auch nur in die Nähe von Gorsefields Yard zu gehen! Habt ihr mich verstanden?« Das Alter war nicht spurlos an Wiggins vorübergegangen, aber als Josie ihn jetzt ansah, erinnerte sie sich daran, dass er immer noch Gräber aushob und Särge stemmte. Er konnte sie mit Leichtigkeit festhalten, wenn er es wollte.
    »Tut mir leid, Mr Wiggins«, sagte Alfie und schnappte ihm die Brille von der Nase. Er ging an den Regalen entlang und schob geräuschvoll die Flaschen hin und her. »Ich tue das wirklich nicht gern, aber wenn Sie sorgfältig suchen, finden Sie Ihre Brille irgendwann hier oben. Aber seien Sie vorsichtig mit dem Arsen!«
    »Alfie, nicht!« Entsetzt sprang Wiggins auf, stieß jedoch prompt gegen den Tisch. Alfie griff nach einem Spaten, und er und Josie rannten türenschlagend hinaus. Jetzt konnte Wiggins sie nicht mehr aufhalten.



Sie folgte ihm wohl über Berg und Tal,
    Bis sie den Friedhof betrat.
    O dort öffnete sich das Grab
    Und ihr William sank hinab.
    Der Geist vom holden William
(Sweet William’s Ghost)
,
altes Volkslied

29. KAPITEL

Mortlock
    Josie und Alfie stellten sich in die Nähe des Eingangstors von Gorsefields Yard und warteten auf den Einbruch der Winterdämmerung. Gerade war eine Beerdigung beendet, und die letzten Kutschen rollten die Straße hinunter. Ein paar Vögel zwitscherten leise, während sie sich auf die bitterkalte Nacht vorbereiteten. In der Ferne konnte Josie die Geräusche der Großstadt hören, aber hier rund um den Friedhof war es still geworden. Alfie sah blass und verfroren aus, und seine Miene war düster.
    »Wir müssen es tun, Alfie.« Josie schlang zitternd die Arme um sich. Sie sagte es nicht nur, um Alfie zu überzeugen, sondern auch sich selbst.
    »Ich weiß«, brummte Alfie. »Aber es gefällt mir nicht, was ich da mit Wiggins gemacht habe. Er hat mehr Respekt verdient.«
    »Du hattest keine andere Wahl. Er hätte versucht, uns daran zu hindern. Mach dir keine Sorgen. Wenn das alles erst mal vorbei ist, versteht er es bestimmt.«
    Ab und zu ging jemand an ihnen vorbei, ohne sie jedoch zu beachten. Alfie hatte den Spaten hinter einigen alten Holzbrettern versteckt, die jemand an die Friedhofsmauer gelehnt hatte. »Sieht vielleicht ein bisschen komisch aus,wenn wir zwei hier mit einem Spaten herumlungern«, hatte er mit einem freudlosen Grinsen gemeint.
    Der Gedanke an das, was ihnen bevorstand, erfüllte Josie mit Grauen. Mortlock lag dort unter der Erde, ein verwester Leichnam, die Amarant noch in den Händen – und sie mussten ihn ausgraben. Am liebsten wäre sie zu Wiggins oder zur
Galopede
zurückgelaufen und hätte sich dort versteckt, aber sie konnten sich nicht vor dem drücken, was getan werden musste. Die Amarant zu begraben, genügte nicht – sie musste ein für alle Mal vernichtet werden.
    Dunkelheit breitete sich über die Stadt und verwandelte die heruntergekommenen Häuser, die sich um den Friedhof drängten, in diffuse Umrisse. Eine dichte Wolkenschicht verdeckte den Mond. Nachdem sie sich vergewissert hatten, dass niemand sie beobachtete, schlüpften sie durch das Tor. Josie roch die feuchte Erde zu ihren Füßen, und die Kälte kroch ihr bis ins Mark. Die Schatten verdichteten sich und füllten jede Ecke und jeden Winkel des Friedhofs aus. Grabsteine verschmolzen mit der Finsternis und wurden zu Phantomen, die sich zu bewegen schienen.
    Die tief hängenden Äste der Eibe knarrten leise. Josie war, als hätte sich ein bleiernes Gewicht auf ihre Schultern herabgesenkt, und sie blieb einige Schritte vor dem Baum stehen und holte tief Luft. Alfie tat es ihr gleich. Sie wollte nicht unter die Eibe treten. Sie wollte keinen verwesten Leichnam ausgraben. Ihr Herz pochte wie wild, und ihre Beine hatten alle Kraft verloren.
    »Komm schon, Josie«, flüsterte Alfie, nahm ihren Arm und führte sie unter die
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