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Morphogenesis

Morphogenesis

Titel: Morphogenesis
Autoren: Michael Marrak
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Hunderte von Telefonaten, die allein schon den Kosten eines mehrwöchigen Karibikurlaubs entsprachen. Die verdächtige Felsformation befand sich am Rande des Djebel Uweinat, einem Doppelbergmassiv im äußersten Südwesten Ägyptens. Sie erhob sich drei Kilometer von seiner Ostflanke entfernt beinahe achtzig Meter hoch über die Reg, eine brettebene, endlos erscheinende Geröllwüste, die im Norden vom großen Sandsee begrenzt wurde. Unsere Zeltstadt, die wir wegen der mörderischen Tageshitze über Nacht errichteten, lag unmittelbar an den Grenzen zu Libyen und dem Sudan und wurde während der ersten Grabungswoche fast täglich von Militärmaschinen überflogen oder misstrauischen Patrouillen der beiden Anrainerstaaten besucht. Beide Länder verschoben in diesen Regionen ihre Grenzen gerne einmal um ein paar Kilometer nach Norden oder Osten. Zu unserer Sicherheit bewachten zwei Dutzend bewaffnete Posten das Lager rund um die Uhr. Die Libyer bezogen auf einem Höhenzug, der ein paar Kilometer weiter westlich lag, ebenfalls Stellung und beobachteten von dort aus unser Treiben.
    Nach tagelangen Berechnungen und Messungen, ob wir nicht doch von einer Laune der Natur, womöglich einer von Wind und Sand verformten Bergkuppe, zum Narren gehalten worden waren, bestand kein Zweifel mehr: Unter der meterhohen Erosionsschicht befanden sich tatsächlich die Reste eine Pyramide – doch sie besaß nicht vier Seiten, sondern sechs!
    Dass das im Lauf der Jahrtausende stark verwitterte Bauwerk erst jetzt entdeckt wurde, war kaum verwunderlich, denn es erhob sich nicht – wie die Pyramiden von Meroe, Nuri, Giseh oder jene am Djebel Barkal – im Osten des Landes, sondern inmitten der Libyschen Wüste, über sechshundert Kilometer vom lebensspendenden Nil und den alten Kulturzentren entfernt. Diese Tatsache war so abnorm, dass ich sie erst akzeptierte, als die Beweise dafür unumstößlich auf meinem Arbeitstisch lagen – als Seitenansicht, Draufsicht und zusätzliche spekulative Risszeichnung.
    In gewissem Sinne ähnelte das, was von der Konstruktion übrig war, den Resten der Teti- oder der Hauwara-Pyramide: Ein großer runder Schutthügel, den ein Laie nicht einmal dann als Stufenbau identifizieren könnte, wenn Osiris ihn persönlich darauf aufmerksam machen würde. Dass Károly ihn als solchen entlarvt hatte, verdankten wir den NASA-Messdaten der Shuttle Radar Topography Mission.
    Eine Pyramide, die mit der Spitze nach unten im Boden steckt, hätte ich eher anerkannt als ein Bauwerk wie dieses. Seit undenklichen Zeiten hatten die alten Ägypter ein Quadrat oder Rechteck zur Basis genommen, doch niemals ein Hexagon. Selbst das Weltbild dieses Volkes war das eines flachen Rechtecks, welches vom Nil durchflossen wurde, und an dessen vier Kanten sich massive Pfeiler befanden, die die (natürlich rechteckige) Himmelsdecke trugen.
    Zuerst vermuteten wir, dass das Fundament der Pyramide ursprünglich zwanzig, wenn nicht sogar dreißig Meter tiefer lag und im Laufe der Jahrtausende vom Wüstensand verschluckt wurde wie einst der Sphinx von Giseh. Die Georadar-Messungen ergaben jedoch, dass ihre Struktur kaum mehr als acht Meter tief in den Untergrund reichte. Die herrschende Trockenheit und das fast zweitausend Meter hohe Bergmassiv des Djebel Uweinat, dessen Flanken die starken Westwinde abhielten, hatten das Bauwerk weitgehend davor bewahrt, unter Flug- und Schwemmsand begraben zu werden.
    Am Fuß der nach Osten ausgerichteten Pyramidenseite hatten die Messgeräte zudem einen spaltartigen Einschnitt unter dem Erdreich ausgemacht, der in einem Meter Tiefe begann und sich bis zum Baugrund auf fast anderthalb Meter Breite weitete. Flankiert wurde er von zwei schmalen, senkrechten Vorbauten, die wir für die Säulen eines Pylonen hielten.
    Elf Tage dauerte es, bis wir den Eingangsbereich freigelegt hatten. Wir hatten gehofft, dass die Pilaster mit Inschriften versehen wären, die uns helfen könnten, einen Teil der Geheimnisse um die Erbauer der Pyramide zu lüften, doch wir wurden enttäuscht. Falls sich einst Schriftzeichen oder Gravuren auf den übermannshohen Scheinsäulen befunden hatten, waren sie von Wind und Sand abgeschliffen oder von Menschenhand absichtlich entfernt worden – lange, bevor die Wüste den Eingangsbereich verschluckt hatte.
    Die Entdeckung, dass beide Pilaster hohl waren, sorgte für die nächste große Aufregung im Lager, doch als was sie sich letztlich entpuppten, verschlug uns allen die Sprache. Die
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