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Morphium

Morphium

Titel: Morphium
Autoren: Agatha Christie
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habest es dir anders überlegt – ohne Weiteres, ganz kalt – ohne mit der Wimper zu zucken! Du bist ein bezauberndes Wesen, Elinor, wie ein Kunstwerk, so – so vollendet…! Weißt du, ich glaube, wir werden eine vollkommene Ehe führen… Wir lieben einander genug und nicht zu sehr. Wir sind gute Freunde, haben eine Menge gleicher Neigungen, kennen einander durch und durch. Wir haben alle Vorteile der Vetternschaft ohne die Nachteile der Blutsverwandtschaft. Ich werde deiner nie müde werden, weil du so ein ungreifbares Wesen bist. Du könntest jedoch meiner müde werden. Ich bin so ein ganz gewöhnlicher Mensch.«
    Elinor schüttelte den Kopf.
    »Ich werde deiner nicht müde werden, Roddy – nie.«
    »Mein Liebling.«
    Nach einer Weile fuhr er fort:
    »Tante Laura hat schon so ziemlich eine Ahnung, wie es um uns steht, denke ich, obwohl wir nicht dort waren, seit wir uns einig geworden sind. Das wäre doch ein Grund, um hinzufahren, nicht?«
    »Ja. Ich dachte erst neulich – «
    Roddy beendete den Satz für sie:
    »– dass wir nicht so oft dort sind, wie wir sollten. Dasselbe dachte ich auch. Die erste Zeit nach ihrem Schlaganfall fuhren wir beinahe jedes Wochenende hin. Und jetzt muss es schon fast zwei Monate her sein, dass wir dort waren.«
    »Wir wären hingefahren, wenn sie nach uns verlangt hätte – sofort.«
    »Ja natürlich. Und wir wissen, dass sie Schwester O’Brien gern hat und gut gepflegt wird. Trotzdem waren wir vielleicht doch ein wenig nachlässig. Ich spreche nicht vom Geldstandpunkt – nur vom rein menschlichen.«
    Elinor nickte nur.
    »Also hat dieser dreckige Brief doch etwas Gutes gehabt! Wir fahren hin, um unsere Interessen zu wahren und weil wir die liebe Alte gern haben!«
    Er zündete ein Streichholz an und verbrannte den Brief.
    »Wer den wohl geschrieben haben mag?«, überlegte er. »Nicht, dass etwas daran läge… Jemand, der auf unserer Seite ist. Vielleicht hat man uns sogar einen Dienst damit erwiesen…«
    »Wir fahren hin und werden selbst sehen…«
     
    Schwester O’Brien rauschte aus Mrs Welmans Zimmer ins Badezimmer. Über die Schulter rief sie zurück:
    »Ich setze schnell den Kessel auf. Sie werden eine Tasse Tee brauchen können, ehe Sie den Dienst übernehmen, was, Schwester?«
    Schwester Hopkins erwiderte gemütlich:
    »Ja, meine Liebe, eine Tasse Tee kann ich immer brauchen. Ich finde, es geht nichts über eine gute Tasse Tee – starken Tee!«
    »Ich habe alles hier im Schrank – Teekanne, Tassen und Zucker –, und Edna bringt mir zweimal am Tag frische Milch herauf. Man braucht nicht fortwährend zu klingeln. Das Gas brennt gut, das Wasser kocht im Nu.«
    Schwester O’Brien war eine große, rothaarige Person von dreißig Jahren mit blitzenden weißen Zähnen, einem sommersprossigen Gesicht und einem einnehmenden Lächeln. Durch ihre Heiterkeit und Vitalität war sie bei ihren Patienten sehr beliebt. Schwester Hopkins, die Gemeindeschwester, die jeden Morgen kam, um beim Bettenmachen und der Toilette zu helfen, war eine schlichte Frau mittleren Alters, tüchtig und flink.
    Nun sagte sie anerkennend:
    »Alles ist wohl geordnet in diesem Haus.«
    Die andere nickte.
    »Ja, manches ein wenig altmodisch, keine Zentralheizung, aber überall warm, und die Mädchen alle sehr gefällig, und Mrs Bishop kümmert sich um jede einzelne.«
    »Diese Mädchen heutzutage – stellen oft die Geduld auf eine harte Probe – die meisten wissen nicht, was sie wollen – und arbeiten tun sie auch nicht ordentlich.«
    »Mary Gerrard ist ein liebes Mädchen«, sagte Schwester O’Brien. »Ich weiß wirklich nicht, was Mrs Welman ohne sie täte.«
    »Mary tut mir Leid. Ihr Vater tut alles, um sie zu ärgern.«
    »Bringt kein freundliches Wort heraus, der alte Brummbär«, nickte Schwester O’Brien. »Ah, der Kessel summt schon; sowie das Wasser kocht, gieße ich auf.«
    Der Tee wurde zubereitet und heiß und stark eingeschenkt. Die zwei Pflegerinnen saßen dabei in Schwester O’Briens Zimmer neben Mrs Welmans Schlafzimmer.
    »Mr Welman und Miss Carlisle kommen heute«, berichtete Schwester O’Brien. »Heute früh kam ein Telegramm.«
    »Ah, meine Liebe, deshalb wirkte die alte Dame irgendwie aufgeregt. Sie sind schon längere Zeit nicht hier gewesen, wie?«
    »Es muss mehr als zwei Monate her sein. So ein lieber junger Herr, der Mr Welman. Aber sehr stolz sieht er aus.«
    Schwester Hopkins erinnerte sich:
    »Ihr Bild sah ich neulich im Modeblatt – mit Bekannten auf dem
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