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Morphium

Morphium

Titel: Morphium
Autoren: Agatha Christie
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«
    »Ja, Roddy.«
    Er sah sie mit seinem bezaubernden Lächeln an – er gab die Schwäche der menschlichen Natur zu.
    »Und es liegt uns doch an dem Geld – dir wie mir, Elinor.«
    Sie stimmte schnell zu: »O ja, natürlich.«
    Er sagte ernst:
    »Nicht, dass ich geldgierig bin. Aber schließlich hat Tante Laura immer wieder gesagt, dass wir beide ihre ganze Familie sind. Du bist ihre leibliche Nichte, das Kind ihres Bruders, und ich bin der Neffe ihres Mannes. Sie hat uns immer zu verstehen gegeben, dass nach ihrem Tod alles, was sie hat, dir oder mir, wahrscheinlich aber uns beiden zukommen würde. Und – es ist eine recht beträchtliche Summe, Elinor.«
    »Ja«, sagte Elinor nachdenklich. »Höchstwahrscheinlich.«
    »Es ist keine Kleinigkeit, Hunterbury zu halten.« Er machte eine Pause. »Onkel Henry war, was man recht wohlhabend nennen könnte, als er deine Tante heiratete. Und sie war eine reiche Erbin. Sie und dein Vater hatten ein schönes Vermögen geerbt. Schade, dass dein Vater durch Spekulationen den größten Teil wieder verloren hat.«
    »Der arme Vater hatte nie viel Geschäftssinn.« Elinor seufzte. »Er machte sich große Sorgen, bevor er starb.«
    »Ja, Tante Laura hatte einen viel besseren Kopf dafür als er. Sie heiratete Onkel Henry, und sie kauften Hunterbury. Sie erzählte mir neulich, dass sie bei der Anlage ihres Geldes immer sehr viel Glück gehabt habe.«
    »Onkel Henry hinterließ ihr doch alles, als er starb, nicht?«
    Roddy nickte.
    »Ja, tragisch, dass er so früh sterben musste. Und sie hat nicht wieder geheiratet, die treue alte Seele! Sie war immer sehr gut zu uns. Sie behandelte mich, als ob ich ihr leiblicher Neffe wäre. Wenn ich in der Klemme saß, half sie mir wieder raus; glücklicherweise passierte mir das nicht allzu oft!«
    »Mir gegenüber hat sie sich auch sehr großzügig gezeigt«, sagte Elinor dankbar.
    »Ja, Tante Laura ist ein Prachtmensch«, bekräftigte Roddy. »Aber weißt du, Elinor, wir beide leben, vielleicht ohne es zu wollen, auf ziemlich großem Fuß, wenn man unsere tatsächlichen Mittel in Betracht zieht!«
    Sie nickte etwas kläglich:
    »Da hast du schon Recht… Es kostet alles so viel – die Kleider und die Kosmetika – und dumme kleine Sachen wie Kino und Cocktails – sogar die Grammophonplatten!«
    »Du bist wirklich eine der Lilien auf dem Felde, Liebling, nicht?«
    »Meinst du, ich sollte etwas tun, Roddy?«
    Er schüttelte den Kopf.
    »So wie du bist, gefällst du mir: zart und fern und ironisch. Ich möchte nicht, dass du auf einmal solide wirst; ich meine nur, wenn Tante Laura nicht wäre, müsstest du wahrscheinlich in irgendeiner scheußlichen Stellung arbeiten. Bei mir ist es schließlich genauso. Ich habe ja eine Stellung, aber bei Lewis & Hume ist es nicht allzu schwierig. Auf diese Weise behalte ich meine Selbstachtung und vergiss nicht, dass ich mir keine Sorgen um die Zukunft machen muss – wegen Tante Lauras Erbschaft.«
    »Wir scheinen ja beide recht habgierig zu sein, nicht?«
    »Unsinn! Man hat uns zu verstehen gegeben, dass wir eines Tages Geld haben werden – und das ist alles. Natürlich beeinflusst diese Tatsache unser Benehmen.«
    Elinor meinte nachdenklich:
    »Tante Laura hat uns aber noch nie genau gesagt, wie sie uns ihr Geld hinterlassen will.«
    »Na und? Aller Wahrscheinlichkeit nach wird sie es zwischen uns aufteilen; aber auch wenn das nicht der Fall sein sollte und sie alles oder den größten Teil dir, als ihrem eigenen Fleisch und Blut, hinterlässt – werde ich doch teilhaben daran, weil ich dich ja heirate, Liebling. Wenn sie umgekehrt meint, dass der Hauptanteil mir, als dem männlichen Vertreter der Welmans, zufallen soll, kommt es auch aufs Gleiche heraus – weil du mich heiratest.«
    Er lächelte ihr liebevoll zu.
    »Ein Glück, dass wir einander lieben. Du liebst mich doch, Elinor?«
    »Ja.« Sie sagte es kühl, beinahe förmlich.
    »Ja!«, ahmte Roddy sie nach. »Du bist anbetungswürdig, Elinor. Diese unnachahmliche Art von dir – fern – unberührbar – la Princesse Lointaine. Ich glaube, genau das ist es, was ich an dir so liebe!«
    Elinor stockte der Atem.
    »Das ist es?!«
    »Ja.« Er runzelte die Stirn. »Manche Frauen sind so – ich weiß nicht – so besitzergreifend – so hündisch ergeben und von Sentimentalität überfließend! Das hasse ich. Bei dir kenne ich mich nie aus – bin deiner nie sicher – jeden Moment könntest du deine Meinung ändern und in einer kühlen Art sagen, du
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