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Morgens 15.30 in Deutschland

Morgens 15.30 in Deutschland

Titel: Morgens 15.30 in Deutschland
Autoren: David Werker
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Machart in etwa vergleichbar mit den, allerdings wesentlich komfortabler ausgestatteten, staatlich betriebenen Justizvollzugsanstalten! In beiden Fällen hat die Grundausstattung eins gemeinsam: Sie ist durch und durch abwaschbar. Samtteppiche und Holzvertäfelung sucht man hier wie da vergebens. Zu den Meisterleistungen der deutschen Ingenieurskunst zählt das aus einem Stück Polyurethan gefräste Fertigbadezimmer, das als autarkes Waschmodul ins Mauerwerk der Wohnheimwohnung eingelassen ist. Ohne zu übertreiben, kann man sagen: Eine solch konsequente Kombination aus Platzersparnis und Funktionalität findet sich sonst nur auf der Internationalen Raumstation ISS! Mit dem kleinen Unterschied, dass es vom Studentenwohnheim aus wesentlich mehr Energieaufwand bedarf, den produzierten Müll direkt ins All zu schießen ...
Vorteile des Studentenwohnheims: Es gibt einen Ansprechpartner, den man bei kleineren Problemen (Wasserhahn tropft, Heizung bleibt kalt, Kühlschranklicht geht aus, wenn man die Tür zumacht) kontaktieren kann. Danach passiert allerdings gar nichts. Aber das macht nichts, man hat ja jemanden, den man kontaktieren kann!
Die anderen Bewohner des Studentenwohnheims sind – Trommelwirbel – Studenten! Ärger mit den Nachbarn wegen Ruhestörung oder unordentlicher Mülltrennung braucht man hier nicht zu befürchten. Das Einzige, was wirklich nervt, sind die zahllosen Tretroller und Kinderwagen, mit denen das seit 20 Semestern studierende Sozialpädagogenpack den Hausflur versperrt! Dafür kann man die Miete aber bezahlen. Bei einem durchschnittlichen Quadratmeterpreis von fünf Euro gibt es die kleinsten Wohnheimwohnungen schon ab, äh ja, fünf Euro im Monat. Wichtig ist dann natürlich, dass die Tür nach außen aufgeht! Sonst wird’s noch enger als auf der ISS.
Alleine wohnen
Bei den Studentenbehausungen muss man – finanziell gesehen – das Alleinewohnen als die größte Herausforderung ansehen. Was dir sonst ein loftartiges 40-Quadratmeter-Zimmerchen in einer Vierer-WG eingebracht hätte, reicht jetzt grade mal für ein Zimmer, durch das du nicht durchkommst, wenn gleichzeitig das Bett ausgeklappt und die Kühlschranktür offen ist! Im Vergleich musst du als „Alleinwohner“ eindeutig mehr Geld auf den Tisch legen – kriegst dafür allerdings weniger. Einziger Vorteil: Du kannst die Nudeln vom Herd nehmen, ohne aus dem Bett aufzustehen! Für viele ist das ja der Inbegriff von Luxus! Ist doch so! Wie oft liegst du in der Vierer-WG auf der Dachterrasse und denkst: Scheiße, im Westflügel, in einer der Küchen, kocht bestimmt grade das Wasser über!
Die eklatanten räumlichen Unterschiede zwischen „Alleinwohnern“ und WG-Bewohnern produzieren hin und wieder auch mal kleinere Missverständnisse. Wenn du als „Alleinwohner“ beispielsweise am ersten Abend mit zu ihr gehst, die Jacke in die Ecke schmeißt und sagst: „Schönes Zimmer hast du, bisschen schlank geschnitten vielleicht, aber dafür geht es dreimal so weit in die Tiefe wie meins!“
Und sie erwidert: „Scherzkeks, das ist der Flur!“
Ganz klarer Vorteil des Alleinewohnens: Du wohnst alleine! Abgesehen von den Silberfischen im Bad, der Ameisenstraße im Küchenregal und dem Joghurt, der dir im Treppenhaus entgegenläuft. Und trotzdem: Die eigene Wohnung! Hey, nirgendwo sonst auf der Welt gilt so sehr: Hier bin ich Mensch, hier darf ich’s sein!
Bei den Eltern
Auch das gibt es: zu Hause bleiben und einfach weitermachen wie die letzten 30, 40 Jahre! Viele kennen ihre Eltern ja schon von Geburt an und sind mit ihnen als WG-Bewohner durchaus zufrieden. Wozu da unnötig Staub aufwirbeln, ausziehen und anderswo womöglich unglücklich werden? Manchmal kann dies ja sinnvoll sein, etwa wenn du in deiner Heimatstadt studierst. Was einem allerdings einen Strich durch die Rechnung macht, ist zu viel Naivität. Der Ausspruch: „Pah, ich bleib zu Hause wohnen, den Katzensprung Stuttgart–Berlin mach’ ich mit der Bahn!“ ist genauso bedenklich wie das kühne Vorhaben: Ich studiere in der zehn Kilometer entfernten Großstadt, da bleib ich natürlich nicht zu Hause wohnen, nein! Da miete ich mich erst mal für 500 Euro in der erstbesten Kaschemme ein, um dann in aller Ruhe „vor Ort“ nach einer passenden Wohnung zu suchen!
Die Vorteile, wenn du zu Hause wohnen bleibst: Du musst keine Miete zahlen, nicht neu streichen, die Dusche ist nicht im selben Raum wie die Küche, und Mutti wäscht deine Wäsche, saugt dein Zimmer und wischt dir
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