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Morgen trauert Oxford

Morgen trauert Oxford

Titel: Morgen trauert Oxford
Autoren: Veronica Stallwood
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bin schuld daran . Und dabei war es ein so schönes kleines Mädchen , mit heller Haut und blondem Haar . Die Kleine trug ein weißes Kleidchen und ein Häubchen mit Spitzenbändern . Ich stand neben dem winzigen , weißen Sarg und weinte . Wäre sie auch dann gestorben , wenn ich nicht diese fatalen Worte gesprochen hätte?

    Wie viel von diesem Text stammte tatsächlich von Maria Susanna oder ihrer Briefpartnerin? Wie viel hatte sich Olivia zurechtgelegt, um es in ihre Klischees einzupassen? Nimm einfach einmal an, dass Maria die Worte tatsächlich so geschrieben hat. Wie könnte man sie interpretieren? In diesem Augenblick hatte Kate einen tollen Einfall. Sie setzte sich an ihren Computer.
    Wenn es wirklich noch so lange dauerte, bis es Veröffentlichungen über die Ternan-Manuskripte gab, wer würde schon wissen, was darin stand? Schließlich konnte es durchaus sein, dass es um Skandale und Indiskretionen ging. Zumindest würde über Jahre hinweg niemand ihre Thesen bestreiten können, und bis es so weit war, gäbe es von ihrem Buch höchstens noch Restbestände.
    Mit neuem Schwung machte sie sich an die Arbeit.

    Nelly Ternan betrachtete das Kind, das die Hebamme ihr reichte. Die Wehen waren lang und schmerzhaft gewesen, aber jetzt, wo sie dieses neue Leben in ihren Armen hielt, war alles vergessen. Bewundernd blickte sie in das runzlige, rote Gesichtchen. Die Kleine sah ihrem Vater unglaublich ä hnlich. Nellys Augen wanderten zu dem Foto von Charles Dickens, das neben ihrem Bett stand. Oh ja, es gab keinen Zweifel. Das Baby machte seinem Vater alle Ehre …

    Kate arbeitete wie besessen. Die Katze kaute sich durch zehn Seiten des letzten Ausdrucks, die Kate auf dem Tisch hatte liegen lassen.

    Mit besorgter Miene beugte sich Maria Susanna über ihre Schwester.
    » An deiner Stelle w ü rde ich mich nicht allzu sehr in die Liebe zu diesem Kind hineinsteigern «, fl ü sterte sie. »Dieses kleine M ä dchen ist nicht f ü r unsere Welt geschaffen. Ich sp ü re es. «

    Die Katze missbrauchte die Sitzfläche von Kates pinkfarbenem Sofa als Kratzbaum, ehe sie nach einem Umweg über die Bücherregale auf das Kaminsims sprang, wo eine Menge aufregendes Spielzeug herumlag. Vor allem eine rote Emailkirsche hatte es ihr angetan. Sie kollerte die Kirsche vom Sims und tobte damit herum, bis das Spiel langweilig wurde und die Katze ihr Spielzeug unter einem Sessel vergaß.

    »Sie gehört in einen weißen Sarg«, sagte Nelly. Die Trauer machte ihre Stimme br ü chig. » Und sie soll das wei ß e H ä ubchen mit den Spitzenb ä ndern tragen. Nur Lilien sollen sie auf ihrer langen Reise begleiten. «
    »Ich sehe sie vor mir, dort im Himmel«, weinte Maria. » Ein kleiner Engel ganz in makellosem Wei ß . Die Strahlen des Himmels zaubern einen Heiligenschein um ihr s üß es K ö pfchen. Sie betet f ü r uns. Sie wartet auf uns …«

    Die Katze spielte zufrieden weiter. Kate schrieb. Irgendwann wurde das Tier hungrig und forderte eine weitere Mahlzeit sowie eine zweite Runde mit dem Papierball.
    »Pass bloß auf«, warnte Kate. »Dein Freund Paul kommt heute Abend vorbei. Zeig dich von deiner besten Seite. Oder? Schließlich wollen wir ihn nicht ermuntern, sich hier allzu sehr zu Hause zu fühlen.«
    Und sie ging zurück an ihre Arbeit.
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