Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mordstheater

Mordstheater

Titel: Mordstheater
Autoren: Imogen Parker
Vom Netzwerk:
wie bedroht er sich fühle von meiner Kreditkarte, meiner Bankkarriere,
meinem Haarschnitt. Gott, ich wollte nur einen Fick und bekam drei Stunden von
seiner Pseudo-Psychologie. Ich sagte ihm das, auf scherzhafte Weise —«
    »Was? Was sagtest du?«
    »Na ja, ich sagte nur, ich dachte, wir wären zum
Vögeln gekommen, nicht wegen eines gottverdammten Urschreis. Das war natürlich
das Ende vom Lied. Absolut keinen Sinn für Humor. Er sagte mir, ich sei keine
anteilnehmende Person und borgte sich zehn Pfund von meinem entmannenden Geld,
um ein Taxi zurück zu den Sitzsäcken zu nehmen. Ich blieb die Nacht allein
dort, da ich ja dafür bezahlt hatte.
    Ich leerte die Minibar und schaute mir im
Fernsehen American Gladiators an. Ich amüsierte mich eigentlich ganz gut.«
    »Und, was passierte danach?«
    »Na ja, ich entschuldigte mich, weil ich dachte,
ich sollte; ich bin nicht sicher, warum, und wir benahmen uns, als sei nichts
geschehen. Was es ja auch nicht war, also ging es ziemlich einfach. Meine zehn
Pfund sah ich natürlich nie wieder. Es wäre auch so wenig >anteilnehmend<
von mir gewesen, danach zu fragen... Weiß nicht, was das ist, mit mir und den
Männern. Wie kann sich jemand von einem Haarschnitt bedroht fühlen?«
    »Na ja, mir warst du mit langen Haaren auch
lieber.«
    »Oh, um Gottes willen, Martin!« Ein Teil meiner
Lebensveränderung hatte darin bestanden, daß ich vor kurzem meine langen Haare sehr
kurz geschnitten hatte, so kurz, daß der Nacken ausrasiert werden mußte, damit
die Konturen stimmten. Ich fand es wunderbar und dachte heimlich, daß es mich
auf ziemlich attraktive Weise knabenhaft aussehen ließ, aber keiner schien mir
zuzustimmen. »Du hörst dich an wie meine Mutter.«
    »Na und«, sagte Martin, »deine Mutter ist sehr
schön.«
    Und das war ihr Ruin. Meine Mutter ist sehr
schön und ist es immer gewesen. Als sie sechs war, gewann sie einen Wettbewerb,
um für eine Seifenwerbung fotografiert zu werden, und man konnte ihr Gesicht in
allen Frauenzeitschriften Englands sehen. Jahre später, zu Beginn der Swinging
Sixties, kellnerte sie gerade in einem Cafe in Soho; sie hatte sich in ihrem
einzigen rebellischen Akt geweigert zur Sekretärinnenschule zu gehen, wie es
ihre Eltern gewünscht hatten — als ein mäßig erfolgreicher Künstler, den sie
bediente, sie bat, für ihn Modell zu stehen. In ihrer netten, unschuldigen Art
willigte sie ein, und kurz danach heirateten sie. Meine Mutter ist sehr schön.
Sie hat ein herzförmiges Gesicht, das Herzen bricht. Sie ist auch die Sorte
Frau, die blöde genug ist, einen Künstler zu heiraten, für den sie Modell
gestanden hat, nur weil er sagt, daß er sie liebt. Der Künstler war natürlich
mein Vater. Ich denke gern, daß ihre Beziehung, insofern sie dazu fähig war,
ihren Höhepunkt im Moment meiner Empfängnis erreichte, was wahrscheinlich
innerhalb der ersten zwölf Stunden geschah, nachdem sie ihm einen Cappuccino
gebracht hatte.
    Was nicht heißen soll, daß sie ein Flittchen ist.
Sie ist durch und durch die Frau aus der Vorstadt mit einem schönen Gesicht,
die in Pinner unendlich viel glücklicher ist als in Soho. Und es soll auch
nicht heißen, er habe nicht versucht, ein guter Vater zu sein. Ich bin sicher,
er hat es probiert. Schließlich ist er sechsJahre bei uns geblieben, bevor er
mit einer anderen Kellnerin nach Paris entschwand. Seitdem habe ich ihn nicht
mehr gesehen.
    Ich erzählte Martin von meiner Woche wonnevoller
Erholung bei Muttern und gab ihre herzlichen Grüße an ihn weiter. Ich erzählte
ihm nicht, daß sie auch mehrere Stunden damit zugebracht hatte, auf meiner
Bettkante zu sitzen und über Martins gute Eigenschaften zu reden, im Vergleich
zu der amorphen Gruppe, auf die sie sich als meine »anderen Männer« bezog. Ich glaube,
meine Mutter hat den Verdacht, ich hätte mich damals in Cambridge mit einem
sehr fragwürdigen Haufen eingelassen, weil ich nie einen von meinen Freunden
mit nach Hause brachte. Der Grund dafür war, daß ich noch nicht so selbstsicher
war und nicht wußte, was diese von sich überzeugten, ehemaligen Public-School-Jungs
von unserer Villa in Pinner halten würden. Ich zog es vor, rätselhaft zu
bleiben, was meinen Hintergrund betraf, weswegen wahrscheinlich keine jener
Beziehungen sehr weit kam. Als meine Mutter nach Cambridge kam, um meinem
Abschluß beizuwohnen (ihre einzige Einladung), war sie ein schlagender Erfolg.
Sie hatte einen maßgeschneiderten butterblumengelben Leinenanzug gewählt,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher