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Mordstheater

Mordstheater

Titel: Mordstheater
Autoren: Imogen Parker
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Haus zu lassen. Er war (und ist es noch,
denke ich) ein irrationaler Mann, der Kaffee verbietet und trotzdem ein
Päckchen Gauloises ohne Filter am Tag raucht. Seit seinem Weggang haben meine
Mutter und ich einen Bogen um Reformhäuser gemacht. Ich war daher nicht auf die
stattliche Menge an leuchtenden, ansprechend aufgemachten Packungen in der
kleinen Küche der Agentur vorbereitet, und als Agatha mich bat, ihr eine Kanne
Cherry Pickers zu bringen, dachte ich zuerst, es sei der Name eines
Manuskripts, das sie verlegt hatte. Ich war so verlockt von dem erwärmenden
Namen, daß ich mich sogar entschloß, eine Tasse Golden Ginseng Glory zu kosten,
war aber ziemlich enttäuscht von seinem schalen, selbstgerechten Aroma, nach
all dem lebensverbesserndem Gerede auf der Dose.
    Es war schnell halb sechs, und Agatha rief mich
in ihr Büro.
    »Muß mich entschuldigen für heute«, sagte sie.
»Hatte gehofft, noch was diktieren zu können. War es sehr langweilig?«
    Ich versicherte ihr, daß dem nicht so war, daß
ich es, offen gesagt, eher spannend gefunden hatte, mit Leuten umzugehen, deren
Arbeit ich bewunderte. Sie strahlte und sagte mir, wie erfrischend es sei,
jemanden zu haben, der etwas vom Theater verstand.
    »Die meisten Aushilfen haben keine Ahnung«,
sagte sie. »Trinken Sie einen Whisky mit.«
    Ich war mit einem Freund auf einen Drink
verabredet und mußte mich daher entschuldigen. Als ich das Büro verließ, hörte
ich sie den Glenmorangie entkorken und sagen: »Tja, Schatz, es sieht heute
abend wieder nach einem Taxi für uns aus.«
    Ich nahm an, sie sprach mit der Katze.

  Martin ist der Mann, den ich nach Ansicht meiner Mutter
heiraten sollte. Wir haben uns am ersten Tag in der Bank beim Einführungskursus
für Studenten kennengelernt und sind seitdem Freunde geblieben. Er ist wahrscheinlich der Mensch, den ich heiraten sollte, aber wir reden immer nur
dann darüber, wenn wir uns betrinken, nachdem einer von uns eine Beziehung
beendet hat. Das Schema geht so, daß einer etwas sagt wie »Mein Gott, wir
verstehen uns so gut, warum machen wir nicht Schluß mit all dem Leid und
heiraten?« Dann trinken wir die nächste Flasche Chardonnay und jammern noch ein
bißchen mehr. Dann steckt Martin mich in ein Taxi und macht sich allein auf den
Heimweg nach Wandsworth. Ich habe den starken Verdacht, daß er den letzten Zug
nimmt, weil er etwas geizig ist; und das, und die Tatsache, daß er anscheinend
wirklich gern in Wandsworth lebt, heißt, daß wir, ob wir sollten oder nicht,
niemals ein Paar sein werden. Aber er ist mir lieb und teuer.
    Er mußte mehr oder weniger zweimal hinsehen, als
ich in meinem Sekretärinnen-Outfit die Wendeltreppe der Weinbar in der Garrick
Street hinabstieg. In meiner Zeit bei der Bank hatte ich immer einen
Kleidungsstil an den Tag gelegt, der ziemlich dick aufgetragen war. Hohe
Absätze, Kostüme mit kurzen Röcken in leuchtenden Farben und jede Menge
Modeschmuck. Ich lege immer Wert darauf, meiner Rolle entsprechend auszusehen,
und die Bank war bei weitem die schwerste Rolle, in der ich mich versucht habe.
Martin war dort die einzige Person mit einem Sinn für Humor, und er
durchschaute das falsche Chanel-Äußere sofort. Ich trug mein Haar immer in
einem französischen Zopf, weil ich glaubte, es ließe mich älter und verbissener
aussehen, aber wenn Martin in der Nähe war, schienen stets ein paar Strähnen
herauszurutschen.
    »Sehr spröde«, sagte er, als ich mich setzte,
und bat den Kellner um ein zweites Glas. »Sophie, was hast du vor? Ich meine,
>Miss Fitt, zum Diktat<, das bist doch nicht wirklich du, oder?«
    »Heutzutage benutzt man übrigens Diktiergeräte,
und Tatsache ist jedenfalls, daß ich den Job genießen werde, wenn jeder Tag so
ist wie heute. Das ist immerhin mehr, als du von dir sagen kannst.«
    »Aber das Geld...«
    »Ich komme damit aus. Es gefällt mir ganz gut,
keine Verantwortung zu haben. Mein Mittagessen heute bestand aus einem
Sandwich, nicht aus drei unverdaulichen Gängen in Gesellschaft eines Lüstlings,
der etwas verkauft, woran ich nicht glaube, und meine Chefin ist eine exzentrische
Rückblende auf die Fünfziger mit einer getigerten Katze, nicht so ein
Yuppie-Emporkömmling im neuesten Armani.«
    »Schon gut, schon gut.« Er hob abwehrend die
Hände.
    »Wie ist sie denn so, diese Agatha Brown?«
    »Nun, offenbar allgemein gefürchtet, aber ich mag
sie.« Ich erzählte von unserem Treffen und imitierte ihre Sprechweise, die ein
aristokratisches Englisch
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